Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
daß Herr Chuckster sich eines gleich beneidenswerten Zustandes erfreute, so stimmten die beiden Gentlemen nach dem feierlichen Brauche der alten Brüderschaft, der sie angehörten, einige Strophen des populären Duetts: ›Alles ist wohl!‹ an, das mit einem langen Triller schloß.
    »Und was gibts Neues?« fragte Richard.
    »Die Stadt ist so flach wie die Oberfläche eines holländi
schen Ofens, mein teurer Bundesbruder«, versetzte Herr Chuckster. »Es gibt nichts Neues! Apropos! Euer Mietsmann ist ein ganz außerordentlicher Mensch. Er bietet der kräftigsten Fassungsgabe Hohn, mußt du wissen; es hat nie einen solchen Kerl gegeben!«
    »Was hat er denn wieder getrieben?« fragte Dick.
    »Beim Jupiter!« entgegnete Herr Chuckster, indem er eine längliche Schnupftabakdose herauszog, deren Deckel mit einem seltsam in Messing gearbeiteten Fuchskopf verziert war, »der Mann ist unergründlich. Herr! Dieser Mensch hat mit unserm Volontär Freundschaft geschlossen! Es steckt zwar kein Arg in ihm, aber er ist so erstaunlich begriffsstutzig und einfältig. Nun, wenn er einen Freund brauchte, warum wählte er sich nicht einen, der auch etwas versteht und der ihm durch sein Wesen und seine Konversation nur wohltun würde? Ich habe allerdings meine Fehler«, sagte Herr Chuckster.
    »Nein, nein!« fiel ihm Herr Swiveller ins Wort.
    »O ja, ich habe meine Fehler; niemand kennt seine Fehler besser als ich die meinigen. Aber«, sagte Herr Chuckster, »ich bin kein Waschlappen. Meine schlimmsten Feinde – jeder Mensch hat seine Feinde, und auch ich habe die meinigen – konnten mir nie zur Last legen, daß ich ein Waschlappen sei. Und ich will dir etwas sagen, wenn ich nicht mehr von jenen Eigenschaften besäße, die gewöhnlich den Menschen seinem Nächsten lieb und wert machen, als unser Volontär, so wollte ich augenblicklich einen Laib Cheshirekäse stehlen, ihn um den Hals binden und mich ersäufen. Dann stürbe ich wenigstens so gemein, als ich gelebt hätte. Ja, das wollte ich, bei meiner Ehre!«
    Herr Chuckster schwieg, klopfte mit dem Knöchel seines Zeigefingers dem Fuchskopf geradezu auf die Nase, nahm eine Prise und sah Herrn Swiveller fest an, als wollte er sagen: ›
Wenn du glaubst, daß ich niesen werde, so bist du gewaltig auf dem Holzwege.‹
    »Nicht zufrieden damit«, fuhr Herr Chuckster fort, »den Abel zu seinem Freunde gemacht zu haben, nährt er jetzt auch noch die Bekanntschaft mit Vater und Mutter. Seit seiner Heimkehr von jener wilden Gänsejagd ist er oft dort gewesen, hat eigentlich dort gewohnt. Auch begünstigt er noch außerdem den jungen Schlüffel; du wirst finden, daß er ohne Unterlaß in ihr Haus kommt; und doch glaube ich nicht, daß er außer den gewöhnlichen Höflichkeitsformeln nur sechs Worte mit mir gewechselt hat. Nun, bei meiner Seele, du mußt wissen«, sagte Herr Chuckster, indem er ernst den Kopf schüttelte, wie wohl Menschen zu tun pflegen, wenn sie glauben, daß eine Sache ein bißchen zu weit geht; »das Ganze ist eine so gemeine Geschichte, daß mir gar nichts anderes übrigbliebe, als die Geschäftsverbindung zu lösen, wenn ich nicht Mitleid fühlte mit meinem Prinzipal, von dem ich weiß, daß er ohne mich nicht auszukommen vermag. Es bliebe mir gar keine Wahl.«
    Herr Swiveller, der auf einem andern Bocke seinem Freund gegenübersaß, schürte in einem Übermaß von Sympathie das Feuer, aber schwieg.
    »Was den jungen Schlüffel anbelangt«, fuhr Herr Chuckster mit einem prophetischen Blicke fort, »so wirst du schon sehen, daß es ein schlimmes Ende mit ihm nimmt. In unserm Berufe hat man etwas Menschenkenntnis. Und ich gebe dir mein Wort, daß der Kerl, der da zurückkam, um seinen Schilling abzuverdienen, sich nächster Tage in seiner wahren Farbe zeigen wird. Er ist ein gemeiner Dieb, sage ich dir. Er muß es sein!«
    Da Herr Cuckster einmal im Feuer war, so würde er wahrscheinlich diesen Gegenstand noch weiter und in einer schwungvolleren Sprache verfolgt haben, wenn ihn nicht ein Klopfen an der Tür, das einen Geschäftsbesuch anzukündigen schien,
veranlaßt hätte, einen stärkeren Ausdruck von Schlappheit anzunehmen, als sich mit seiner kürzlichen Erklärung ganz vertragen wollte. Herr Swiveller, der das Klopfen gleichfalls gehört hatte, ließ seinen Bock schnell um eines seiner – des Bockes – Beine tanzen, bis er sich vor seinem Schreibepult befand, in das er das Schüreisen stieß, welches er in der plötzlichen Verwirrung seines Geistes wegzulegen

Weitere Kostenlose Bücher