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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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durch die Schlüssellöcher der Türen. Können diese Dinge ihre Bestimmung sein, oder hat irgendeine unbekannte Person Widerrede gegen die Beschlüsse des Schicksals erhoben? Es ist ein höchst unergründlicher, erschrecklicher Gedanke!«
    Als seine Betrachtungen an diesem befriedigenden Punkte angelangt waren, gewahrte er seinen noch an dem Beine haftenden Stiefel, dessen er sich sofort mit einer Feierlichkeit sondergleichen entledigte. Die ganze Zeit über schüttelte er jedoch sein Haupt mit ungemeiner Würde und seufzte dabei tief auf.
    »Diese Spielpartien«, fuhr Herr Swiveller fort, indem er seine Nachtmütze genau in derselben Weise aufsetzte, wie er seinen Hut zu tragen pflegte, »erinnern mich an den stillen Herd des friedlichen Ehestandes. Cheggs' Gattin spielt Cribbage und auch Partien zu vieren. Sie spielt nun die verschiedensten Arten. Von Spiel zu Spiel nur treibt man sie, zu dämpfen ihre Schmerzen, und kommt ein Lächeln über sie, meint man, es komme aus dem Herzen; aber das ist nicht der Fall. Wohl könnte ich jetzt sagen«, fügte Richard hinzu, indem er wohlgefällig den Reflex eines sehr kleinen Streifens Backenbart auf seiner linken Wange im Spiegel betrachtete; »ja, wohl könnte ich jetzt sagen, das Eisen ist ihr durch die Seele gedrungen. Aber es geschieht ihr recht!«
    Aus dieser strengen und trotzigen Stimmung verfiel Herr Swiveller in eine sentimental-pathetische, stöhnte ein wenig, stürmte wild auf und nieder und tat sogar, als wolle er sich die Haare ausraufen; er besann sich jedoch eines Bessern und zerrte statt dessen an der Quaste seiner Nachtmütze. Endlich warf er in düstrer Entschlossenheit seine Kleider vollends ab und legte sich zu Bett.
    Mancher hätte in seiner vernichteten Lage sich dem Trunke als Tröster ergeben; da aber Herr Swiveller dies bereits früher getan hatte, verlegte er sich nur, als er die Nachricht erhalten, daß Sophia Wackles auf immer für ihn verloren sei, aufs Flötenspiel. Nach reiflicher Überlegung war er zu dem Schlusse gekommen, daß es eine gute, gesunde und trübselige Beschäftigung sei, die nicht nur im Einklang stand mit seinen eignen trüben Gedanken, sondern auch darauf berechnet war, in den Brüsten seiner Nachbarn gleichen Jammer zu erwecken. Um diesen Entschluß gleich auszuführen, zog er nun einen kleinen Tisch an sein Bett, stellte das Licht und ein kleines längliches Notenbuch so vorteilhaft als möglich auf, nahm sei
ne Flöte aus dem Futteral und begann aufs kläglichste zu blasen.
    Es war das Lied ›Verscheuchet jetzt die Grillen‹, eine Komposition, die gar nicht erheiternd wirkt, wenn sie im Bett sehr langsam auf der Flöte geblasen wird und sich den weitern Nachteil gefallen lassen muß, von einem Gentleman ausgeführt zu werden, der mit dem Instrument auf schlechtem Fuße steht und eine Note oftmals wiederholt, ehe er die nächste finden kann. Trotzdem aber quietschte Herr Swiveller diese unglückselige Melodie unentwegt beinahe die ganze Nacht hindurch, indem er auf dem Rücken lag, die Augen an die Decke geheftet, oder sich halb aus dem Bette lehnte, um seinem Gedächtnis durch einen Blick auf die Noten wieder aufzuhelfen. Er setzte kaum eine Minute oder zwei aus, nur um Atem zu holen oder einen Monolog über die Marquise zu halten, worauf es wieder mit erneuter Kraft weiterging. Erst nachdem er seine verschiedenen Betrachtungsgegenstände erschöpft und all seine dem Wermutbier entsproßten Gefühle bis zur Hefe durch die Flöte gehaucht, dazu alle Bewohner des Hauses wie auch die Nachbarn rechts und links und über die Straße fast toll gemacht hatte, schloß er sein Notenheft, löschte das Licht aus, drehte sich leichtern und heitern Sinnes auf die Seite und schlief ein.
    Er erwachte am andern Morgen sehr erfrischt. Und als er wieder eine halbe Stunde auf seiner Flöte geübt und äußerst huldvoll die Kündigung seiner Hauswirtin entgegengenommen hatte, die zu diesem Zwecke seit dem Morgengrauen ihn auf der Stiege erwartet hatte, ging er nach Bevis-Marks. Die schöne Sally befand sich bereits auf ihrem Posten und zeigte in ihren Blicken einen Glanz, mild wie die Strahlen des keuschen Mondes.
    Herr Swiveller begrüßte sie mit einem Nicken und tauschte
seinen Rock gegen die Wasserfahrtjacke aus, was gewöhnlich eine geraume Zeit beanspruchte, da er nicht ohne Kampf in die engen Ärmel kommen konnte. Sobald diese Schwierigkeit überwunden war, nahm er an dem Pulte Platz.
    »He«, begann Miß Braß, plötzlich das

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