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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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manchmal bekommt er was zu hören! Du lieber Gott, Sie würdens gar nicht glauben, wie sehr er es dann bekommt!«
    »Vermutlich beraten sie sich viel miteinander«, sagte Dick, »und sprechen von andern Leuten – von mir zum Beispiel. Kommts nicht bisweilen vor, Marquise?«
    Die Marquise nickte heftig.
    »Schmeichelhaft?« fragte Herr Swiveller.
    Die Marquise änderte die Bewegung ihres Kopfes, der bisher immer genickt hatte, und begann ihn auf einmal mit solcher Heftigkeit zu schütteln, daß eine Verrenkung ihres Halses zu befürchten stand.
    »Hm!« murmelte Dick. »Wäre es ein Mißbrauch des Vertrauens, Marquise, mir mitzuteilen, was sie über ein unbedeutendes Individuum sprechen, das jetzt die Ehre hat, zu …?«
    »Miß Sally sagt, Sie wären ein schnurriger Kauz«, versetzte die Kleine.
    »Nun, Marquise«, entgegnete Herr Swiveller, »das ist nichts Beschimpfendes. Heiterkeit, Marquise, ist keine schlimme oder entehrende Eigenschaft. Der alte König Cole war selbst ein lustiges altes Haus, wenn man der Weltgeschichte glauben darf.«
    »Aber sie sagt«, fuhr seine Gefährtin fort, »daß man Ihnen nicht trauen dürfe.«
    »Ei, Marquise«, sagte Herr Swiveller gedankenvoll, »tatsächlich haben mehrere Herren und Damen – nicht gerade Standesgenossen, sondern nur Gewerbsleute, Ma'am, Gewerbsleute – dieselbe Bemerkung gemacht. Der obskure Spießbürger,
der über der Straße drüben ein Hotel hält, neigte gleichfalls heute abend stark zu dieser Ansicht, als ich ihm befahl, das Bankett zu bereiten. Es ist ein allgemeines Vorurteil, Marquise, und doch schwöre ich Ihnen, ich kenne seine Ursache nicht; denn man hat mir zu meiner Zeit ungemein großes Vertrauen geschenkt, und ich habe dieses Vertrauen immer festgehalten, bis es mich böswillig verließ, ja immer. Herr Braß ist vermutlich der gleichen Meinung?«
    Seine Freundin nickte abermals und ließ dabei einen so verschlagenen Blick schießen, daß aus ihm hervorzugehen schien, Herr Braß hege über diesen Punkt noch entschiedenere Ansichten als seine Schwester. Und da ihr jetzt wieder alles zum Bewußtsein zu kommen schien, setzte sie flehentlich hinzu:
    »Aber sagen Sie ja nichts über mich, sonst werde ich zu Tode geschlagen.«
    »Marquise«, sagte Herr Swiveller aufstehend, »das Wort eines Gentleman ist so gut wie seine Unterschrift, bisweilen noch besser, wie zum Beispiel in diesem Fall, da seine Unterschrift sich vielleicht als höchst zweifelhafte Sicherheit erweisen würde. Ich bin Ihr Freund und hoffe, daß wir noch mehr Partien in dem gleichen Salon miteinander spielen werden. Aber, Marquise«, fügte Richard hinzu, auf dem Wege zur Tür stehenbleibend und sich langsam der kleinen Magd zuwendend, die ihm mit der Kerze folgte, »es fällt mir eben ein, daß Sie sehr daran gewöhnt sein müssen, Ihr Auge an den Schlüssellöchern zu lüften, um alles dies wissen zu können?«
    »Ich wollte nur erfahren«, versetzte die Marquise zitternd, »wo der Schlüssel zum Speiseschrank versteckt wird; weiter ging meine Absicht nicht. Auch würde ich nicht viel genommen haben, wenn ich ihn gefunden hätte, nur so viel, um meinen Hunger zu stillen.«
    »Sie haben ihn also nicht gefunden?« entgegnete Dick. »Doch
wie mag ich fragen! Sie wären sonst wohl fetter. Gute Nacht, Marquise. So leb denn wohl, und wenn für immer, so denn für immer lebe wohl, und legen Sie die Kette vor, Marquise, für den Fall, daß sich etwas zutragen sollte!«
    Mit dieser Einschärfung zum Abschied schlüpfte Herr Swiveller aus dem Hause, und da er fühlte, er habe inzwischen gerade so viel dem Trunke zugesprochen, als seiner Konstitution zuträglich zu sein versprach – das Wermutbier war nämlich ein etwas starkes und zu Kopf steigendes Gemisch –, so entschloß er sich weislich, auf sein Quartier loszusteuern und sich geschwind ins Bett zu verfrachten. Er ging daher nach Hause, und da seine Appartements – er behielt noch immer die Pluralfiktion bei – nicht weit von der Kanzlei gelegen waren, so saß er bald in seiner Schlafkammer, in der er, nachdem er den einen Stiefel ausgezogen, den andern aber auszuziehen vergessen hatte, in tiefe Betrachtungen verfiel.
    »Diese Marquise«, sagte Herr Swiveller, indem er die Arme übereinanderschlug, »ist eine ganz merkwürdige Person, von Geheimnissen umgeben, weiß nicht, wie Bier schmeckt, ist, was aber nicht so auffallend ist, nicht einmal mit ihrem Namen bekannt und erlaubt sich eine beschränkte Aussicht auf die Gesellschaft

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