Der Raritätenladen
als er hörte, wie der Rechtsgelehrte über den Hof stolperte und hin und wieder einen schweren Plumps tat. Endlich jedoch hatte Braß den Ort hinter sich und befand sich außer Hörweite.
Der Zwerg schloß sich wieder ein und sprang wieder in die Hängematte.
Dreiundsechzigstes Kapitel
Der Fachmann, der Kit die trostreiche Nachricht brachte, daß sein kleines geschäftliches Anliegen in Old Bailey bald vorgenommen und abgetan sein würde, hatte ganz richtig prophezeit. Acht Tage nachher begannen die Sitzungen. Am zweiten Tage bestätigte der Hohe Gerichtshof die begründete Anklage gegen Christoph Nubbles auf Veruntreuung. Und nach weiteren zwei Tagen wurde besagter Nubbles aufgefordert, sein ›Schuldig‹ oder ›Nichtschuldig‹ gegen die wider ihn erhobene Anklage vorzubringen, daß Christoph aus der Wohnung und dem Büro eines Gentleman namens Sampson Braß eine Banknote von fünf Pfund, ausgestellt von dem Direktor und der Kompanie der Bank von England, vorbedachterweise versteckt und gestohlen habe. Daß er die für einen solchen Fall vorgesehenen Gesetze übertreten und sich gegen den Frieden unseres souveränen Herrn, des Königs, seine Krone und seine Würde vergangen habe.
Auf diese Anschuldigung erklärte sich Christoph Nubbles mit leiser und zitternder Stimme für nicht schuldig. Und hier mögen diejenigen, die vorschnell nach dem Äußeren urteilen
und von Christoph zum Beweis seiner Unschuld verlangt haben würden, daß er kräftig und laut spreche, die Lehre ziehen, daß Gefangenschaft und Angst auch die mutigsten Herzen verzagen lassen, daß auf einen Menschen, der – wäre es auch nur zehn oder elf Tage – allein im Gefängnis saß, in dem er nichts als steinerne Wände und einige steinerne Gesichter sah, der plötzliche Eintritt in eine große, mit Menschen erfüllte Halle ziemlich verwirrend und einschüchternd wirkt. Dazu kommt auch noch der Umstand, daß ein Kopf mit einer Perücke auf eine große Masse von Leuten einen weit tieferen und schreckhafteren Eindruck macht als ein Kopf mit seinen natürlichen Haaren; und wenn man zu alldem noch Kits natürliche Erregung in Rechnung bringt, als er die beiden Herren Garland und den kleinen Notar mit ängstlichen und blassen Gesichtern dastehen sah, so wird man sich vielleicht nicht so sonderlich wundern, daß der Gefangene etwas außer Fassung kam und nicht imstande war, sich hier ganz heimisch zu fühlen.
Obgleich er seit seiner Verhaftung weder von den Herren Garland noch von Herrn Witherden etwas gesehen hatte, war doch die Mitteilung an ihn ergangen, daß sie einen Verteidiger für ihn aufgestellt hätten. Als daher einer von den mit Perücken versehenen Herren aufstand und sagte: »Herr Präsident, ich bin für den Gefangenen«, machte ihm Kit eine Verbeugung; und als ein anderer Herr in einer Perücke aufstand und sagte: »Ich bin gegen ihn, Herr Präsident«, da zitterte Kit heftig und verbeugte sich auch gegen diesen. Und hoffte er nicht in den Tiefen seiner Seele, daß sein Herr dem andern gewachsen sei und daß er ihn bald dahin bringen würde, sich vor sich selbst zu schämen?
Der Herr, der gegen ihn war, durfte zuerst sprechen, und da er in schrecklich guter Laune war – denn es war ihm bei der
letzten Sitzung beinahe gelungen, die Freisprechung eines jungen Gentleman zu erwirken, der das Unglück gehabt hatte, seinen Vater zu ermorden –, so kann man sich denken, wie er sprach. Er sagte nämlich der Jury, wenn sie diesen Gefangenen freispräche, so hätte sie dieselben Gewissensbisse und Seelenqualen zu gewärtigen, die er der andern Jury prophezeit hatte, wenn sie jenen Gefangenen verurteilte. Und als er ihnen den Fall weitläufig auseinandergesetzt und erklärt hatte, es sei der schlimmste Fall, der ihm je vorgekommen, hielt er eine kleine Weile inne, wie ein Mann, der irgend etwas Schreckliches sagen will; und dann sagte er, wie er höre, wolle sein gelehrter Freund – er schielte dabei auf Kits Vertreter – den Versuch machen, die Aussagen jener makellosen Zeugen, die er vorrufen werde, anzufechten. Er hoffe und vertraue jedoch, daß sein gelehrter Freund eine größere Achtung vor dem Ankläger habe, zumal er recht wohl wisse, daß kein achtbareres Glied des höchst achtbaren Berufes, dem er angehöre, existiere oder existiert habe. Dann fragte er, ob die Jury Bevis-Marks kenne. Und wenn es der Fall sei, wie er um ihretwillen hoffe, ob ihr auch die geschichtlichen und erhebenden Momente bekannt wären, die mit diesem
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