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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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unüberlegt – he?«
    »Nichts, Sir, nichts. Kaum der Rede wert, Sir; aber ich meinte, jener Gesang, so bewundernswürdig humoristisch er an sich auch sein mag, dürfte vielleicht etwas …«
    »Ja«, entgegnete Quilp, »etwas was?«
    »… an Unüberlegtheit grenzen oder vielmehr, vielleicht wie man so sagt, die Grenzen der Unüberlegtheit leicht streifen, Sir«, erwiderte Braß, schüchtern in die listigen Augen des Zwerges sehend, die auf das Feuer gerichtet waren und dessen roten Schein widerstrahlten.
    »Warum?« fragte Quilp, ohne seine Augen zu erheben.
    »Nun, Sie müssen wissen, Sir«, versetzte Braß, der es wagte, vertraulicher zu werden, »Tatsache ist, Sir, daß jede Anspielung auf solche kleine Verbindungen von Freunden, die ja an sich ungemein löblich sind, aber vom Gesetze Verschwörungen genannt werden – Sie verstehen mich, Sir? –, am besten für sich und unter Freunden behalten werden, wissen Sie.«
    »Eh!« sagte Quilp, mit vollkommen ausdrucksloser Miene aufsehend, »was wollen Sie damit sagen?«
    »Vorsichtig, außerordentlich vorsichtig, ganz recht und sachgemäß!« rief Braß mit dem Kopfe nickend. »Stumm, Sir, selbst hier – das ist's, was ich meine, Sir.«
    »Ganz deine Meinung, du eherne Vogelscheuche, was ist deine Meinung?« entgegnete Quilp. »Warum sprichst du mit mir von Verbindungen unter Freunden? Unterhalte ich Verbindungen? Weiß ich etwas von deinen Verbindungen?«
    »Nein, nein, Sir, gewiß nicht; keineswegs«, erwiderte Braß.
    »Wenn du so blinzelst und mir zunickst«, sagte der Zwerg, indem er umhersah, als suche er nach seinem Schüreisen, »so will ich dir dein Affengesicht zeichnen, daß du genug hast; ja, das will ich!«
    »Ich bitte, ereifern Sie sich nicht, Sir«, versetzte Braß schnell einlenkend. »Sie haben ganz recht, Sir, ganz recht. Ich sollte den Gegenstand nicht erwähnt haben, Sir. Es ist viel besser, man schweigt; Sie haben ganz recht, Sir. Reden wir von etwas anderm, wenn's beliebt. Sie haben, wie mir Sally sagte, nach unserm Mietsmann gefragt, Sir. Er ist noch nicht zurückgekommen, Sir.«
    »Nicht?« fragte Quilp, der etwas Rum in einer Untertasse auf das Feuer gesetzt hatte und nun achtgab, daß er nicht überlief. »Warum nicht?«
    »Ei, Sir«, entgegnete Braß; »er – du lieber Gott, Herr Quilp …«
    »Was gibt's?« fragte der Zwerg, der eben die Tasse zum Munde führen wollte und die Hand wieder sinken ließ.
    »Sie haben das Wasser vergessen, Sir«, erwiderte Braß. »Und entschuldigen Sie, Sir, aber er ist glühend heiß.«
    Der Richtigkeit dieser Vorstellung begegnete Quilp nur durch einen tatkräftigen Beweis, indem er die heiße Tasse an
seine Lippen führte und behaglich allen darin enthaltenen Alkohol austrank, der etwa ein Viertelliter betragen haben mochte und den Augenblick zuvor, ehe er ihn vom Feuer nahm, ungestüm gezischt und Blasen geworfen hatte. Sobald dieses milde Reizmittel verschluckt war, ballte er seine Faust gegen den Admiral und forderte Herrn Braß auf, fortzufahren.
    »Aber zuerst«, sagte Quilp mit seinem gewohnten Grinsen, »sollen Sie auch ein Tröpflein haben, ein hübsches Tröpflein, ein gutes, warmes, feuriges Tröpflein.«
    »Ei, Sir«, versetzte Braß, »wenn nur so etwas wie ein Mundvoll Wasser zu bekommen wäre, ohne daß ich Sie bemühen müßte …«
    »Etwas der Art gibt es hier nicht!« rief der Zwerg. »Wasser für Advokaten? Geschmolzenes Blei und Schwefel wollen Sie sagen, hübsch heißes, Blasen ziehendes Pech, das ist etwas für Sie, he, Braß, he?«
    »Ha ha ha!« lachte Herr Braß. »Oh, wie bissig! Und doch mutet es einen nur wie ein angenehmer Kitzel an, eine wahre Lust, es mit anzuhören, Sir!«
    »Trinken Sie das!« sagte der Zwerg, der inzwischen noch mehr Rum heiß gemacht hatte. »Hinunter damit; es darf nicht die Nagelprobe darin bleiben! Verbrennen Sie Ihre Kehle, und seien Sie glücklich!«
    Der unglückliche Sampson schlürfte ein paar Tropfen von dem Branntwein, der unmittelbar darauf sich zu brennenden Tränen destillierte und in dieser Form die Wangen herunter wieder in die Tasse gerollt kam. Sein Gesicht und die Augenlider färbten sich dunkelrot; er bekam einen wahren Hustenkrampf, und doch hörte man ihn mit der Festigkeit eines Märtyrers immer beteuern, daß es ›ganz wundervoll‹ sei. Er litt noch unter unaussprechlichen Beängstigungen, als der Zwerg die Unterhaltung wieder aufnahm.
    »Der Mietsmann«, sagte Quilp, »was ist's mit ihm?«
    »Er hält sich noch immer bei der

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