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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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länger. Meinetwegen kann er gehängt werden, sich ersäufen, Hungers sterben oder zum Teufel gehen!«
    »Sicherlich, Sir«, entgegnete Braß. »Wann wünschen Sie, Sir, daß er – ha ha! –, daß er diesen kleinen Ausflug mache?«
    »Wenn über Kit ein Urteil gesprochen ist«, sagte Quilp. »Nach Beendigung dieser Angelegenheit schicken Sie ihn fort.«
    »Es soll geschehen, Sir«, erwiderte Braß, »auf jeden Fall. Es wird allerdings für Sara ein Schlag sein, Sir, aber sie weiß ihre Gefühle zu beherrschen. Ach, Herr Quilp, ich denke oft, wenn es doch der Vorsehung gefallen hätte, Sie und Sara in jüngeren Jahren zusammenzubringen, welch gesegnete Resultate wären aus einer solchen Verbindung geflossen! Sie haben
nie unsern lieben seligen Vater gesehen, Sir? Ein charmanter Gentleman. Sara war sein Stolz und seine Freude, Sir. Das Füchslein würde mit Freuden seine Augen geschlossen haben, Herr Quilp, wenn er einen solchen Gatten für sie gefunden hätte. Sie schätzen sie, Sir?«
    »Ich liebe sie«, krächzte der Zwerg.
    »Sie sind sehr gütig, Sir«, versetzte Braß, »gewiß. Haben Sie noch einen Auftrag, den ich mir notieren könnte, außer dieser kleinen Angelegenheit mit Herrn Richard?«
    »Nein«, entgegnete der Zwerg, die Tasse ergreifend. »Lassen Sie uns auf die Gesundheit der liebenswürdigen Sara trinken!«
    »Wenn wir es mit einer weniger heißen Materie tun könnten, Sir«, schlug Braß demütig vor, »so würde es vielleicht besser sein. Ich glaube, es dürfte angenehmer auf ihre Gefühle wirken, wenn ich ihr von der Ehre, die Sie ihr angetan haben, erzähle, und sie zugleich erfährt, daß es in etwas kälterem Branntwein geschah, als der letzte war, Sir.«
    Herr Quilp hatte jedoch für solche Vorstellungen nur ein taubes Ohr. Sampson, der schon jetzt nicht mehr ganz nüchtern war und sich noch obendrein genötigt sah, weitere Züge von derselben kräftigen Bowle zu tun, fand bald, daß das Getränk, statt ihn wiederherzustellen, die ganz neuartige Wirkung ausübte, das Haus rasend geschwind um ihn wirbeln zu lassen, während der Fußboden und die Decke in schauerlicher Weise auf und nieder wogten. Nach einer kurzen Betäubung erwachte er zu dem Bewußtsein, daß er zum Teil unter dem Tisch, zum Teil unter dem Kamingitter lag. Da diese Situation nicht gerade die behaglichste war, die er für sich hätte auswählen können, so half er sich wankend auf die Beine, hielt sich an dem Admiral fest und sah sich nach seinem Wirte um.
    Anfangs dachte Herr Braß, sein Gastfreund habe sich entfernt, ihn allein hiergelassen und vielleicht die Nacht über ein
gesperrt. Ein starker Tabaksqualm erregte jedoch einen neuen Ideengang; er sah in die Höhe und bemerkte, daß der Zwerg in seiner Hängematte rauchte.
    »Gott befohlen, Sir!« rief Braß mit matter Stimme. »Gott befohlen, Sir!«
    »Wollen Sie nicht hier über Nacht bleiben?« fragte der Zwerg heraussehend. »Genieren Sie sich doch ja nicht!«
    »Ich könnte es in der Tat nicht, Sir«, versetzte Braß, den die dumpfe Luft und aufsteigende Übelkeiten fast todkrank gemacht hatten. »Wenn Sie doch so gut sein wollten, mir ein wenig zu leuchten, daß ich den Weg über den Hof finden kann, Sir …«
    Quilp war im Nu aus seiner Matte, nicht mit den Beinen zuerst oder mit dem Kopf oder mit den Armen, sondern mit dem ganzen Körper zugleich.
    »Ei freilich«, sagte er, eine Laterne aufnehmend, die jetzt das einzige Licht an dem Ort war. »Aber nehmen Sie sich beim Gehen in acht, lieber Freund. Sehen Sie sich vor, gut zwischen dem Bauholz durchzukommen, denn die rostigen Nägel stehen alle nach aufwärts. Auch ist ein Hund in der Gasse. Er biß gestern nacht einen Mann, vorgestern nacht eine Frau und hat am letzten Dienstag gar ein Kind umgebracht; doch dies geschah nur beim Spielen. Kommen Sie ihm nicht zu nahe.«
    »Auf welcher Seite des Weges ist er, Sir?« fragte Braß in Todesängsten.
    »Er gehört in ein Haus rechter Hand«, sagte Quilp, »aber hin und wieder versteckt er sich auch links und ist immer sprungbereit. Man kann sich in dieser Hinsicht nicht auf ihn verlassen. Geben Sie ja gut auf sich acht, ich könnte es Ihnen nie vergeben, wenn Sie es unterließen. So, jetzt ist das Licht auch noch ausgegangen! – Macht nichts, Sie kennen den Weg – geradeaus!«
    Quilp hatte boshafterweise das Licht dadurch beschattet, daß er es gegen seine Brust hielt, und nun kicherte er, sich im Übermaß seines Entzückens vom Kopf bis zu den Füßen schüttelnd,

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