Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
Fünfpfundnote wechseln, Sir?«
    »Nein«, versetzte Dick kurz angebunden.
    »Oh!« sagte Braß, »da habe ich ja den nötigen Betrag. Das erspart uns die Mühe des Wechselns. Sie sind mir natürlich sehr willkommen, Herr Richard …«
    Dick, der inzwischen die Tür erreicht hatte, drehte sich wieder um.
    »Aber Sie brauchen sich nicht zu bemühen, je wieder zurückzukommen, Sir«, fügte Braß hinzu.
    »Wie?«
    »Ja, sehen Sie, Herr Richard«, entgegnete Braß, indem er die Hände in seine Tasche steckte und sich auf seinem Schreibebock hin und her wiegte, »Tatsache ist, daß ein Mann von Ihren Fähigkeiten, Sir, in unserm trockenen und schimmeligen Beruf verloren ist, direkt verloren! Es ist eine schreckliche Plackerei – herzbrechend. Ich möchte sagen, daß das Theater, oder die – oder die Armee, Herr Richard, oder irgendeine höhere Stellung in dem konzessionierten Viktualienhandel ein
Boden wäre, auf dem sich das Genie eines Mannes wie Sie entwickeln könnte. Ich hoffe, Sie werden uns hin und wieder besuchen. Sally wird sich gewiß sehr darüber freuen, Sir. Es tut ihr außerordentlich leid, Sie zu verlieren, Herr Richard, aber das Bewußtsein ihrer Pflicht gegen die Gesellschaft läßt sie es ertragen. Sie ist ein ganz besonderer Mensch, Sir! Ich glaube, das Geld wird stimmen. Dort ist zwar ein zerbrochenes Fenster, Sir, aber ich habe Ihnen trotzdem nichts abgezogen. Wenn wir uns von Freunden trennen, Herr Richard, so muß es in liberaler Weise geschehen. Ein entzückendes Gefühl, Sir!«
    Auf alle diese unzusammenhängenden Bemerkungen antwortete Herr Swiveller mit keinem Wort, sondern kam ins Zimmer zurück, um sich seine Sportjacke zu holen, die er fest zu einer Kugel zusammenrollte; dabei schaute er Braß unverwandt an, als beabsichtige er, ihn mit ihr wie einen Kegel umzuwerfen. Er nahm sie jedoch nur unter den Arm und marschierte wortlos aus der Kanzlei. Kaum hatte er die Tür geschlossen, als er sie wieder öffnete, einen Augenblick mit unheilvollem Ernst ins Zimmer stierte, noch einmal mit dem Kopf nickte und endlich langsam, einem Gespenst ähnlich, verschwand.
    Sobald er den Kutscher bezahlt hatte, drehte er Bevis-Marks den Rücken, strotzend von großartigen Plänen, wie er Kits Mutter trösten und Kit selber Beistand leisten wolle.
    Aber das Leben von Herren, die sich solchen Vergnügungen hingeben wie Richard Swiveller, ist auf eine schwanke Basis gestellt. Die seelische Erregung der letzten vierzehn Tage, die auf seinen durch jahrelange alkoholische Exzesse geschwächten Körper eingewirkt hatte, erwies sich als zu stark für ihn. In derselben Nacht wurde Herr Richard von einer beunruhigenden Krankheit befallen, und nach vierundzwanzig Stunden lag er im heftigsten Delirium.

Vierundsechzigstes Kapitel
    Todkrank auf seinem heißen, unbequemen Lager sich hin und her wälzend, von einem heftigen, durch nichts zu beschwichtigenden Durst gequält, unfähig, durch irgendeine Veränderung seiner Lage auch nur einen Augenblick Ruhe oder Behaglichkeit zu finden; von wild jagenden Gedanken beunruhigt, für die es keinen Einhalt gab, die ihn nichts sehen oder hören ließen, was ihm Erleichterung oder Erfrischung gewährt hätte, die ihn nur mit dumpfer Müdigkeit erfüllten, welche durch nichts als durch das rastlose Hin- und Herwerfen seines Körpers unterbrochen wurde, und das aufreibende Umherschweifen seines Geistes, in dem nur eine folternde Sorge beharrlich blieb: das Gefühl, daß etwas ungeschehen geblieben sei, daß irgendein fürchterliches Hindernis zu überwinden sei, daß irgendeine finstere Bekümmernis ihn umschwebe, die sich nicht vertreiben lassen wollte und sein krankes Hirn bald in dieser, bald in jener Form bedrängte, immer schattenhaft und düster, aber in jeder Form sich als dasselbe Gespenst erwies, jedes Traumbild wie ein böses Gewissen verdüsternd und den Schlummer mit Schrecken erfüllend – in diesen langsamen Qualen seiner schrecklichen Krankheit lag der unglückliche Richard da, Zoll um Zoll sich verzehrend und hinschwindend, bis er endlich unter der Vorstellung, als kämpfe und mühe er sich aufzustehen, und als würde er von bösen Geistern niedergehalten, in einen tiefen Schlaf versank und nicht mehr träumte.
    Er erwachte; und mit einem Gefühl der glücklichsten Ruhe, die noch beseligender war als der Schlaf selbst, begann ihm allmählich das Bewußtsein seiner Leiden aufzudämmern, und er dachte darüber nach, wie lang die Nacht gewesen sei und ob er nicht

Weitere Kostenlose Bücher