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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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zu benutzen, um seine Gefährtin anzureden. Diese Gelegenheit bot sich bald. Die Marquise gab aus, schlug einen Buben auf und ließ den gewöhnlichen Vorteil, den diese Karte mit sich bringt, außer acht, worauf Herr Swiveller, so laut er konnte, rief:
    »Zwei für ihn!«
    Die Marquise sprang rasch auf und schlug ihre Hände zusammen.
    »Zuverlässig Tausendundeine Nacht«, dachte Herr Swiveller. »Sie schlagen dort immer die Hände zusammen, statt die Klingel zu ziehen. Nun werden die zweitausend schwarzen Sklaven kommen mit Gefäßen voll Juwelen auf ihren Köpfen!«
    Es stellte sich jedoch heraus, daß sie nur vor Freude die Hände zusammengeschlagen hatte; denn unmittelbar darauf fing sie an zu lachen und dann zu weinen, wobei sie nicht in gewähltem Arabisch, sondern in ganz ordinärem Englisch erklärte, sie sei so froh, daß sie nicht wissen, was sie anfangen solle.
    »Marquise«, sagte Herr Swiveller nachdenklich, »kommen Sie, bitte, näher. Wollen Sie nicht die Güte haben, mir erstens
zu sagen, wo ich meine Stimme wiederfinden kann, und zweitens, was aus meinem Fleisch geworden ist?«
    Die Marquise schüttelte nur traurig den Kopf und weinte aufs neue, worauf Herr Swiveller, der noch sehr schwach war, von diesen Tränen ebenfalls angesteckt wurde.
    »Ich fange an, aus Ihrem Benehmen und aus diesen äußern Merkmalen zu schließen, Marquise«, fuhr Richard nach einer Pause fort, während ein Lächeln seine bebenden Lippen überflog, »daß ich krank gewesen bin?«
    »Freilich sind Sie krank gewesen!« versetzte die kleine Magd. »Und was Sie für Unsinn dabei geschwatzt haben!«
    »Also wohl sehr krank, Marquise?« fragte Dick.
    »Beinahe tot«, entgegnete die kleine Magd. »Ich meinte, es wolle gar nimmer besser werden. Dem Himmel sei Dank, daß es nur wieder so ist!«
    Herr Swiveller blieb eine geraume Zeit stumm, und als er wieder zu sprechen begann, fragte er, wie lange er schon hier liege.
    »Morgen werdens drei Wochen«, erwiderte die kleine Magd.
    »Drei was?« sagte Dick.
    »Wochen«, versetzte die Marquise nachdrücklich. »Drei lange, langsame Wochen.«
    Schon der Gedanke, in so großer Gefahr gewesen zu sein, veranlaßte Richard zu einem weiteren Verstummen. Er streckte sich der vollen Länge nach auf seinem Lager aus. Die Marquise rückte ihm das Bettzeug bequemer, und als sie fühlte, daß Hände und Stirn ganz kühl waren – eine Entdeckung, die sie mit Entzücken erfüllte –, weinte sie wieder ein wenig und schickte sich dann an, den Tee zu bereiten und dünne Brotschnitten zu rösten.
    Während sie so beschäftigt war, sah ihr Herr Swiveller mit
dankbarem Herzen zu, nicht wenig erstaunt, als er bemerkte, wie sehr sie sich hier heimisch fühlte, und schrieb die Veranlassung dieser Pflege Sally Braß zu, der er, wie er meinte, nicht genug danken könnte. Nachdem die Marquise mit dem Rösten des Brotes fertig war, breitete sie ein reines Tuch über ein Teebrett und setzte ihm einige kleine Schnitten nebst einem großen Napf schwachen Tees vor, mit dem sie auf Anordnung des Arztes – sagte sie – ihn bei seinem Erwachen erfrischen durfte. Sie stützte ihn mit Kissen, wenn auch nicht so geschickt, als ob sie ihr ganzes Leben Krankenwärterin gewesen wäre, so doch mit ebensoviel Zartheit, und sah mit unaussprechlicher Freude zu, während der Patient – hin und wieder innehaltend, um ihr die Hand zu drücken – sein ärmliches Mahl mit einem Appetit und einem Hochgenuß zu sich nahm, die unter andern Umständen die größten Leckereien der Welt nicht hervorzurufen vermocht hätten. Nachdem sie wieder abgeräumt und alles um ihn wieder behaglich gemacht hatte, setzte sie sich an den Tisch, um selbst Tee zu trinken.
    »Marquise«, sagte Herr Swiveller, »was macht Sally?«
    Die kleine Magd verzog ihr Gesicht zu einem Ausdruck äußerster Verschmitztheit und schüttelte den Kopf.
    »Wie, hast du sie in der letzten Zeit nicht gesehen?« fragte Dick.
    »Sie gesehen?« rief die kleine Dienstmagd. »Gott behüte; ich bin doch ausgerissen!«
    Herr Swiveller legte sich sogleich wieder in seinem Bett zurück und verblieb ungefähr fünf Minuten in dieser Lage. Nach Ablauf dieser Zeit brachte er sich langsam wieder in eine sitzende Stellung und fragte:
    »Und wo wohnen Sie, Marquise?«
    »Wo ich wohne?« entgegnete die kleine Magd. »Hier!«
    »Oh!« rief Herr Swiveller.
    Und mit diesem Ausruf sank er wieder zurück, so plötzlich, als ob er erschossen worden wäre. Auch blieb er sprach- und

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