Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
Weile ließ er keine Silbe vernehmen; aber nach einer langen Pause, während deren Frau Quilp durch den entsetzlichen Anblick, den sein wutverzerrtes Äußeres bot, fast gelähmt wurde, gelang es ihm hervorzukeuchen:
    »Wenn ich ihn hier hätte! Wenn ich ihn nur hier hätte …!«
    »O Quilp!« sagte sein Weib, »was ist denn geschehen? Über wen bist du zornig?«
    »Ich würde ihn ersäufen«, fuhr der Zwerg fort, ohne auf sie zu achten. »Freilich ein zu leichter Tod, zu kurz, zu schnell; aber der Strom läuft gerade hier vorbei. Oh, wenn ich ihn hier hätte! Mit freundlichen Worten ihn zum Ufer zu locken, ihn
am Knopfloch festzuhalten, mit ihm zu scherzen, und durch einen plötzlichen Stoß ihn aufklatschend hinunterzubefördern! Man sagt, Leute, die ertrinken, kämen dreimal wieder an die Oberfläche. Ach, ihn diese drei Male zu sehen, ihn zu verhöhnen, wenn sein Gesicht auf und ab tanzend heraufkommt – oh, welch ein reicher Genuß würde das sein!«
    »Quilp!« stammelte sein Weib, indem sie es zu gleicher Zeit wagte, seine Schulter zu berühren, »was ist denn Schlimmes vorgefallen?«
    Sie war so entsetzt über die Wollust, mit der er sich das Vergnügen einer solchen Tat ausgemalt hatte, daß sie sich kaum verständlich machen konnte.
    »So ein feiger Hund!« sagte Quilp, sehr langsam seine Hände reibend und sie fest zusammenpressend. »Ich dachte, seine Feigheit und seine Kriecherei wären die besten Bürgen für sein Schweigen. O Braß, Braß – mein lieber, guter, zärtlicher, treuer, schmeichelnder, bezaubernder Freund –, wenn ich dich nur hier hätte!«
    Seine Frau, die sich zurückgezogen hatte, damit man nicht glauben sollte, sie lausche auf die leise gemurmelten Drohungen, wagte es, wieder näher zu kommen, und war eben im Begriff zu sprechen, als der Zwerg zur Tür eilte und Tom Scott rief, der, eingedenk der kürzlich ergangenen sanften Ermahnung, es für ratsam erachtete, auf der Stelle zu erscheinen.
    »Da!« sagte der Zwerg, indem er ihn hereinzerrte. »Bring sie nach Hause! Du brauchst morgen nicht herzukommen, denn dieses Haus wird verschlossen sein. Komm nicht zurück, bis du von mir hörst oder mich siehst! Verstehst du?«
    Tom nickte verdrießlich und winkte Frau Quilp, voranzugehen.
    »Was dich anbelangt«, fuhr der Zwerg gegen seine Frau fort, »so stelle keine Nachforschungen nach mir an; suche mich
nicht und rede überhaupt nicht von mir. Dir zum Troste sei es gesagt, daß ich nicht tot sein werde, meine Teuerste. Tom wird für dich Sorge tragen.«
    »Aber Quilp, was ist denn geschehen? Wo gehst du hin? Sage mir doch etwas mehr!«
    »Ich will dir etwas sagen«, entgegnete der Zwerg, indem er sie am Arm faßte, »und obendrein etwas tun, was für dich besser ungesagt und ungetan bliebe, wenn du nicht augenblicklich gehst!«
    »Ist etwas vorgefallen?« rief sein Weib. »Oh, sag mir nur dies!«
    »Ja«, knurrte der Zwerg. »Nein. Was kümmerts dich? Ich habe dir gesagt, was du zu tun hast. Wehe dir, wenn du zögerst oder nur ein Haar breit davon abweichst. Willst du gehen!«
    »Ich gehe, ich gehe augenblicklich! Aber«, stotterte sein Weib, »beantworte mir zuvor nur eine Frage. Steht dieser Brief in irgendeinem Zusammenhang mit der lieben kleinen Nell? Ich muß dich dies fragen – wahrhaftig, ich muß, Quilp. Du kannst dir nicht vorstellen, was für kummervolle Tage und Nächte ich durchgemacht habe, weil ich dieses Kind ein einziges Mal betrog. Ich weiß nicht, was ich Schlimmes über sie gebracht habe; aber mag es nun groß oder klein sein, ich tat es um deinetwillen, Quilp. Mein Gewissen machte mir Vorwürfe, als ich es tat. Oh, ich bitte dich, beantworte mir nur diese Frage!«
    Der aufs höchste gereizte Zwerg erwiderte nichts, sondern wandte sich und griff mit solchem Ungestüm nach seiner gewöhnlichen Waffe, daß Tom Scott seinen Schützling mit Gewalt und so schnell er konnte hinauszerrte. Es war gut, daß er es tat, denn Quilp, der vor Wut fast toll war, verfolgte sie bis auf den angrenzenden Weg und würde die Hetzjagd noch nicht aufgegeben haben, wenn sie der dichte Nebel, der mit je
dem Augenblick schwerer zu werden schien, seinen Blicken nicht verborgen hätte.
    »Es wird eine schöne Nacht für eine Inkognitoreise geben«, sagte er, als er langsam und fast atemlos vom Laufen zurückkehrte. »Halt! wir müssen uns hier besser vorsehen. So ist es etwas gar zu gastfreundlich und frei.«
    Mit großer Kraftanstrengung schloß er die zwei alten Torflügel, die tief in den

Weitere Kostenlose Bücher