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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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wäre lichter Tag gewesen im Vergleich mit der dicken Wolke, die jetzt auf der Erde ruhte und alles in ihr Leichentuch hüllte. Er stürzte einige Schritte vorwärts, als stürmte er in den Rachen irgendeiner düsteren, gähnenden Höhle; dann änderte er, in der Meinung, irregegangen zu sein, seine Richtung und blieb endlich stehen, ungewiß, wohin er sich wenden sollte.
    »Wenn sie nur wieder klopften«, sagte Quilp, der vergeblich versuchte, mit seinen Augen die Finsternis, die ihn umgab, zu durchdringen; »der Schall würde mich leiten. Also, wettert noch einmal auf das Tor los!«
    Er blieb eine Weile aufmerksam horchend stehen, aber das Getöse wiederholte sich nicht. Kein anderer Laut ließ sich an diesem öden Platze hören als hin und wieder in der Ferne das Bellen von Hunden. Der Schall war weit weg, bald in dieser, bald in jener Richtung, und konnte daher nicht zum Führer dienen; denn Quilp wußte wohl, daß auch oft von den Schiffen Hundegebell zu hören war.
    »Wenn ich nur einen Wall oder Zaun finden könnte«, sagte der Zwerg, indem er seinen Arm ausstreckte und langsam vorwärts ging, »so wüßte ich doch, wohin ich mich wenden könnte. Es wäre eine gute, schwarze Teufelsnacht, wenn ich meinen lieben Freund hier hätte. Würde mir nur dieser Wunsch erfüllt, so dürfte es meinetwegen nie wieder Tag werden.«
    Diese Worte waren kaum seinen Lippen entschlüpft, als er stolperte und fiel. Im nächsten Augenblick kämpfte er mit dem kalten, dunklen Wasser!
    Trotz des Sprudelns und Rauschens in seinem Ohr konnte er jetzt doch deutlich das Klopfen an dem Tore wieder vernehmen, konnte das Schreien hören, mit dem sie es begleiteten, konnte die Stimmen erkennen. Ungeachtet seines Plätscherns und Ringens wurde es ihm klar, daß sie ihren Weg verloren hatten und daß sie zu dem Punkte zurückgewandert waren, von dem sie ausgingen, daß sie fast zusahen, während er ertrank, daß sie in seiner nächsten Nähe waren, aber nicht einmal den Versuch zu seiner Rettung machen konnten, daß er sie selbst ausgeschlossen und den Balken vorgelegt hatte. Er beantwortete ihr Geschrei mit einem gellenden Ruf, der die hundert Feuer, die vor seinen Augen tanzten, scheinbar erzittern und aufflackern ließ, als ob ein Windstoß sie aufgewirbelt hätte. Vergeblich. Die wogende Flut füllte seine Kehle und trug ihn auf ihrer raschen Strömung weiter.
    Noch ein letztes Ringen um sein Leben, und er war wieder
oben, schlug das Wasser mit den Händen und stierte mit wilden und funkelnden Augen auf einen dunkeln Gegenstand, zu dem er hingetrieben wurde. Der Rumpf eines Schiffes! Er konnte die glatten und schlüpfrigen Wände mit der Hand berühren. Jetzt ein lauter Schrei – aber die unwiderstehlichen Wogen rissen ihn hinunter, ehe er ihn ganz ausstoßen konnte, trieben ihn unter das Schiff und trugen – einen Leichnam weiter.
    Das Wasser spielte und scherzte mit seiner unheimlichen Last, indem es sie das eine Mal gegen die schlüpfrigen Pfähle warf, das andere Mal im Schlamm oder in dem langen, üppigen Schilfe verbarg, jetzt den Leichnam über rauhe Steine und Kies schleppte, dann wieder tat, als wollte es ihn seinem eignen Element zuführen, ihn im nächsten Augenblick aber wieder zurückholte, bis es, des häßlichen Spielzeugs müde, ihn auf ein Moor schleuderte – einen unheimlichen Ort, an dem in mancher traurigen Winternacht Seeräuber in Ketten gehangen hatten –, damit dort seine Gebeine bleichen möchten.
    Und dort lag er – allein. Der Himmel leuchtete in feuriger Glut, und die Wellen, die ihn hergetragen hatten, färbten sich im Weiterrollen mit dem düsteren Lichte. Die Hütte, die die einsame Leiche vor kurzem erst noch lebend verlassen hatte, lag jetzt in flammenden Trümmern. Der Schein des Feuers schimmerte leicht auf dem toten Gesicht. Das Haar, von dem feuchten Winde bewegt, spielte um das Haupt, in einer Art von Todesverhöhnung – eine Verhöhnung, über die der Gestorbene selbst gejubelt hätte, wenn er noch am Leben gewesen wäre –, und seine Kleider flatterten lose in der Nachtluft.
    ----
    [ 8 ]  Ein Geist, der in Schottland und Irland in Gestalt einer alten Frau in vornehmen Häusern einen Todesfall durch Trauergesänge vorhersagt.

Achtundsechzigstes Kapitel
    Erleuchtete Zimmer, lodernde Feuer, heitere Gesichter, die Musik froher Stimmen, Worte der Liebe und des Willkommens, warme Herzen und Tränen des Glücks – wie stark ist doch dieser Gegensatz! Aber solchen Wonnen eilt jetzt Kit entgegen.

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