Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
Er weiß, daß er erwartet wird. Er fürchtet, vor Freude zu sterben, ehe er zu ihnen kommt.
    Sie haben ihn den ganzen Tag darauf vorbereitet. Er erfährt zuerst, daß er des andern Morgens nicht mit den übrigen fortgebracht werden solle. Nach und nach lassen sie ihn wissen, daß Zweifel aufgestiegen seien, daß Nachfragen angestellt werden sollen und daß er vielleicht gänzlich begnadigt werden dürfte. Am Abend endlich führen sie ihn in ein Zimmer, in dem einige Herren versammelt sind. Unter ihnen fällt ihm zuerst sein guter alter Herr ins Auge, der auf ihn zukommt und ihn bei der Hand nimmt. Er hört, daß seine Unschuld erwiesen und er freigesprochen ist. Er kann den Sprecher nicht sehen, aber er wendet sich der Stimme zu, und während er nach einer Antwort sucht, sinkt er bewußtlos nieder.
    Sie bringen ihn wieder zu sich und ermahnen ihn, sich zu fassen und es wie ein Mann zu tragen. Jemand bedeutet ihm, er müsse an seine arme Mutter denken. Aber nur, weil er so viel an sie gedacht hat, ist er von der glücklichen Neuigkeit überwältigt worden. Sie drängen sich um ihn und erzählen ihm, daß die Wahrheit bereits überall bekannt geworden sei und daß Stadt und Land von Teilnahme an seinem Mißgeschick widerhallen. Er hat kein Ohr dafür. Seine Gedanken reichen bis jetzt noch nicht weiter als nach Hause. Weiß sie es? Was sagte sie? Wer hat es ihr mitgeteilt? Er vermag von nichts anderm zu sprechen. Man gibt ihm etwas Wein zu trinken und redet eine Weile freundlich mit ihm, bis er gefaßter und im
stande ist, zuzuhören und zu danken. Er kann jetzt frei hingehen, wohin er will. Herr Garland ist der Ansicht, wenn er sich besser fühle, so sei es Zeit zum Aufbrechen. Die Herren drängen sich um ihn und drücken ihm die Hand. Er empfindet innigen Dank für die Teilnahme, die sie für ihn zeigen, und für die freundlichen Versprechungen, die sie machen; aber sein Sprachvermögen ist wieder geschwunden, und er kann sich nur mit Mühe auf den Füßen erhalten, obgleich er sich auf den Arm seines Herrn stützt.
    Während sie durch die trübseligen Gänge schreiten, begegnet er einigen diensthabenden Gefängniswärtern, die ihm in ihrer rauhen Weise zu seiner Befreiung Glück wünschen. Der zeitunglesende Schließer ist unter ihnen, aber sein Benehmen ist nicht ganz herzlich, es liegt etwas Sauertöpfisches in seinem Glückwunsch. Er betrachtet Kit als einen Eindringling, als einen Menschen, der unter falschem Vorwand Zutritt zu diesem Ort erhalten und sich eines Privilegiums erfreut hat, für das er nicht wirklich qualifiziert war. Seiner Meinung nach könne er ja ein ganz ordentlicher junger Mensch sein, aber hier hat er nichts zu schaffen, und je eher er ginge, desto besser wäre es.
    Die letzte Tür schließt sich hinter ihnen. Sie haben die letzte Mauer hinter sich und stehen im Freien, in der Straße, die er sich so oft hinter dem düstern Gemäuer ausgemalt hatte, das ihn abschloß, und die selbst nicht aus seinen Träumen weichen wollte. Sie scheint breiter und lebhafter zu sein, als es früher der Fall war. Die Nacht ist schaurig, und doch wie lieblich und heiter in seinen Augen! Einer der Herren drückt ihm beim Abschied etwas Geld in die Hand. Er hat es nicht gezählt; aber sie sind kaum ein paar Schritte an der Büchse für die armen Gefangenen vorbeigegangen, als er hastig wieder umkehrt und es hineinfallen läßt.
    Herr Garland hat in einer benachbarten Straße einen Wa
gen warten lassen, in den er mit Kit steigt; dann heißt er den Kutscher nach Hause fahren. Anfangs geht es nur langsam, und dann müssen Fackeln vorangetragen werden wegen des schweren Nebels. Aber je weiter sie sich von dem Strom entfernen und die dumpfigeren Stadtteile hinter sich lassen, desto weniger bedarf es solcher Vorsichtsmaßregeln, und desto schneller fährt der Wagen. Unterwegs kommt sogar der schnellste Galopp Kit zu langsam vor, aber als sie sich dem Ende ihrer Fahrt nähern, bittet er, man möchte die Pferde langsamer gehen lassen, und als das Haus sichtbar wird, möchte er halten lassen, nur auf ein oder zwei Minuten, damit er Zeit gewinne, ordentlich Atem zu schöpfen.
    Aber das gibts nicht; denn der alte Herr spricht ihm kräftig zu, die Pferde holen wacker aus, und sie sind auch schon am Gartentor. In der nächsten Minute sind sie an der Haustür. Innen hört man Stimmen und Fußtritte. Sie geht auf, Kit stürzt hinein – und findet sich in den umschlingenden Armen seiner Mutter.
    Und da ist auch die stets

Weitere Kostenlose Bücher