Der Raritätenladen
Mädchen, ihrem leibhaftigen Ebenbilde, hing. Sie wuchs heran und schenkte ihr Herz einem Manne, der dessen Wert nicht zu schätzen wußte. Wohlan! Ihr Vater konnte nicht mit ansehen, wie sie sich abzehrte und dahinschwand. Der Freier mochte vielleicht Verdienste haben, die er nicht kannte, und sicherlich konnte eine solche Gattin sehr veredelnd auf ihn einwirken. Er vereinigte ihre Hände, und sie waren Mann und Frau.
Durch all das Unglück, das dieser Verbindung folgte, durch all die kalte Vernachlässigung und die unverdienten Vorwürfe,
durch all die Armut, die er über sie brachte, durch all die Kämpfe ihres täglichen Lebens, zu jammervoll und zu bedauernswürdig, um sie zu erzählen, aber furchtbar, sie auszuhalten, mühte sie sich weiter mit ergebungsvollem Herzen und treu ihrer edlen Natur, wie nur ein Weib es imstande ist. Obwohl ihr Vermögen verschwendet, ihr Vater durch die Hand des Gatten beinahe an den Bettelstab gebracht worden und täglich Zeuge ihrer Mißhandlung und ihres Unglücks war – denn sie lebten nun unter einem Dache –, beklagte sie nie, außer um seinetwillen, ihr Schicksal. Geduldig und von ihrer starken Liebe bis zum letzten Augenblick aufrechterhalten, starb sie, nachdem sie ungefähr drei Wochen vorher Witwe geworden war, und hinterließ der Sorge ihres Vaters zwei Waisen: einen Sohn von zwölf Jahren und ein Mädchen, wieder ein so kleines Ding, von derselben Hilflosigkeit, dem gleichen Alter, denselben Formen und Zügen, die ihr selbst eigen gewesen, als ihre jugendliche Mutter starb.
Der ältere Bruder, der Großvater dieser beiden Kinder, war nun ein armer Mann, gebeugt und niedergedrückt nicht so sehr durch die Last des Alters als durch die schwere Hand des Kummers. Mit den Trümmern seines Vermögens begann er einen Handel, anfangs in Gemälden und dann in Altertümern. Er hatte schon in seinen Knabenjahren eine große Vorliebe für solche Gegenstände gehabt, und was er bisher aus Neigung getrieben, mußte nun ein Mittel für seinen kümmerlichen und unsichern Unterhalt abgeben.
Der Knabe artete an Geist und Körper seinem Vater nach, während das Mädchen so ganz der Mutter glich, daß es dem alten Mann, wenn er die Kleine auf seinen Knien wiegte und in ihre sanften blauen Augen blickte, vorkam, als erwache er aus einem schweren Traum und sähe seine Tochter wieder als Kind vor sich. Der ungeratene Knabe verschmähte bald den
Schutz des großväterlichen Daches und suchte Genossen, die seinem Geschmack mehr entsprachen. Der alte Mann und das Kind wohnten allein beieinander.
Und damals war es, daß die Liebe zu zwei teuren Toten, die seinem Herzen so nahegestanden hatten, auf dieses zarte Geschöpf überging, daß ihr Antlitz, das er immer vor sich sah, ihn stündlich an die allzu frühe Veränderung, die mit der andern vor sich gegangen war, erinnerte, an all das Leid, das er mit angesehen und erfahren, und an all das, was sein Kind durchgemacht hatte. Damals war es auch, daß des jungen Mannes verschwenderische und herzlose Lebensweise sein Geld verschlang, wie es die seines Vaters getan hatte, und sie dadurch manchmal eine Zeitlang Not und Entbehrung erdulden mußten; und damals war es, daß eine düstere Furcht vor Armut und Mangel sich seines Geistes bemächtigte und ihn nicht mehr verließ. Er dachte dabei nicht an sich selbst, denn seine Besorgnis galt nur dem Kinde. Aber diese Sorge war ein Gespenst in seinem Hause, das ihn Tag und Nacht verfolgte.
Der jüngere Bruder hatte viele Länder gesehen und seine Pilgerfahrt einsam durchs Leben gemacht. Seine freiwillige Verbannung war ihm übel ausgelegt worden, und er hatte nicht ohne schweren Kummer die Vorwürfe und die Verachtung für eine Handlung hingenommen, die ihm das Herz zerrissen hatte und einen traurigen Schatten auf seine Pfade warf. Abgesehen davon war auch der Verkehr zwischen ihm und dem älteren Bruder schwierig, unregelmäßig und setzte oft ganz aus; und doch wurde er nie so ganz abgebrochen, daß er nicht, freilich nach langen Pausen und mit vielen Unterbrechungen zwischen den einzelnen Nachrichten, alles erfahren hätte, was ich Ihnen eben mitgeteilt habe.
Dann suchten Träume von ihrem früheren glücklichen Leben – glücklich auch für ihn, obgleich schon früh mit Kum
mer und Sorge beladen – öfter als je sein Lager auf, und in jeder Nacht wurde er wieder zum Knaben an der Seite seines Bruders. In möglichster Eile brachte er seine Angelegenheiten in Ordnung, setzte alle seine Habe in
Weitere Kostenlose Bücher