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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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verleiten lassen, weil ihm Sicherheit und Begnadigung versprochen worden, und erhob Anspruch auf die Milde, die das Gesetz über jenen vertrauensvollen Seelen walten ließe, denen also mitgespielt worden sei. Nach einer feierlichen Prüfung wurde dieser Punkt – nebst einigen andern juridisch-technischer Natur, deren humoristische Wunderlichkeit schwer zu übertreiben sein dürfte – den Richtern zur Entscheidung anheimgegeben und Sampson in der Zwischenzeit in sein früheres Quartier zurückgebracht. Endlich erledigte man einige der genannten Punkte zu Sampsons Gunsten, andere zu seinen Ungunsten, und das Resultat war, daß er die Erlaubnis erhielt, unter gewissen unbedeutenden Beschränkungen fortan das Mutterland mit seiner Gegenwart zu beglücken, statt aufgefordert zu werden, eine Zeitlang in fremden Ländern eine Reise zu machen.
    Diese Beschränkungen bestanden darin, daß er für eine bestimmte Reihe von Jahren in einem geräumigen Hause wohnen sollte, in dem verschiedene andere Gentlemen auf Staatskosten Logis und Atzung erhielten, die eine anständige graue Uniform mit gelben Aufschlägen, außerordentlich kurz geschnittene Haare trugen und hauptsächlich von Haferschleim und leichten Suppen lebten. Auch wurde von ihm verlangt, daß er als gesunde Leibesübung beharrlich eine endlose Treppenflucht hinansteige; und damit seine Beine, die ja an derartige Anstrengungen nicht gewöhnt waren, nicht schwach würden, sollte er an einem Knöchel ein Amulett oder einen Talisman von Eisen tragen. Nachdem diese Bedingungen festgesetzt worden waren, brachte man ihn eines Abends in sein neues Heim, und er durfte sich in Gemeinschaft mit neun andern Herren und zwei Damen des Vorrechts erfreuen, daß man sie diesem Ruhesitz in Seiner Majestät Wagen zuführte.
    Nebst diesen unbedeutenden Bußen wurde sein Name aus der Advokatenliste gestrichen, ein Umstand, den man in letzter Zeit immer für einen großen Schimpf und für einen Beweis von ganz besonderer Schuftigkeit hält, was auch wohl der Fall sein mag, da so viele unwürdige Namen ungefährdet unter ihren bessern Nachbarn stehenbleiben.
    Über Sally Braß gingen verschiedene widersprechende Gerüchte. Einige wollten zuverlässig wissen, daß sie in Männerkleidern zu den Docks hinuntergegangen und ein weiblicher Matrose geworden sei. Andere flüsterten, sie habe sich als Gemeiner bei dem zweiten Regiment der Fußgarde anwerben lassen und sei in Uniform auf der Wache gesehen worden, das heißt, wie sie eines Abends, auf die Muskete gestützt, aus einem Schilderhause in St. James Park heraussah. Es war so manches Gerede im Umlauf, aber wirklich wahr scheint nur das zu sein, daß man nach Ablauf von fünf Jahren – während welcher Zeit niemand bestimmt nachweisen konnte, sie gesehen zu haben – mehr als einmal zwei jämmerliche Gestalten bemerkt hatte, die abends aus den geheimsten Schlupfwinkeln von St. Giles hervorkrochen und in geduckter Haltung sich zitternd fortschleppten, indem sie in den Straßen und Gassen nach Speiseabfällen und weggeworfenen Fleischresten suchten. Man sah diese Schatten nur in kalten und düstern Nächten, wenn die schrecklichen Gespenster, die zu anderer Zeit in den schmutzigen Verstecken Londons, in Torwegen, dunkeln Gewölben und Kellern verborgen liegen, auf die Straßen zu kriechen wagen – die verkörperten Dämonen von Krankheit, Laster und Hunger. Leute, die es wissen konnten, raunten sich zu, daß dies Sampson und seine Schwester Sally seien. Sie sollen bis auf den heutigen Tag in derselben ekelhaften Verkleidung hin und wieder in schlimmen Nächten dicht an den Ellbogen erschreckter Spaziergänger vorbeischleichen.
    Als man – aber erst nachdem einige Tage verstrichen waren – Quilps Leiche auffand, wurde unweit der Stelle, an der sie angeschwemmt worden war, eine Totenschau gehalten. Die allgemeine Annahme ging dahin, daß er sich selbst entleibt habe, und da diese allem Anschein nach durch die Umstände, die seinen Tod begleiteten, bekräftigt wurde, gab auch die Kommission ihr Gutachten dahin ab. Und er sollte daher mit einem Pfahl durchs Herz inmitten eines einsamen Kreuzweges begraben werden.
    Später ging das Gerücht, diese schreckliche und barbarische Zeremonie sei nicht vollzogen, sondern die Überreste seinem Diener Tom Scott übergeben worden. Doch auch hier teilten sich die Ansichten; denn einige meinten, Tom habe sie um Mitternacht ausgegraben und nach einem Orte gebracht, der ihm von der Witwe angedeutet worden

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