Der Raritätenladen
machen.«
Da Herr Braß diesem Gedanken beistimmte, wie er es bei jedem andern gemacht haben würde, der aus derselben Quelle floß, ging der Zwerg hinein, um das Bett auszuprobieren. Das tat er nun auch, indem er sich, mit der Pfeife im Munde, rücklings auf das Bett legte und, gewaltige Rauchwolken von sich stoßend, mit den Beinen um sich schlug. Herr Braß lobte diese Attitüde ungemein, und da das Bett weich und behaglich war, so kam Herr Quilp zu dem Entschluß, es erstens als Schlafstätte bei Nacht und dann als eine Art Diwan bei Tage zu benutzen, und um es gleich für diesen Zweck einzuweihen, blieb er, wo er war, und rauchte seine Pfeife aus. Dem Rechtsgelehrten war inzwischen etwas schwindelig und gedankenwirr geworden – denn dies war eine der Wirkungen des Tabakrauchens auf sein Nervensystem –, weshalb er die Gelegenheit wahrnahm, ein wenig in die frische Luft zu schleichen; er erholte sich auch im Verlaufe der Zeit so weit, daß er leidlich gefaßt wieder zurückkehren konnte. Er wurde jedoch bald wieder durch den boshaften Zwerg veranlaßt, sich einen Rückfall an den Hals zu rauchen, und in diesem Zustande stolperte er auf ein Kanapee, auf dem er bis zum Morgen schlief.
Dies waren Herrn Quilps erste Heldentaten nach Besitznahme seines neuen Eigentums. Er wurde nun einige Tage durch Geschäfte verhindert, besondere Tücken auszuüben, da die erste Zeit fast ganz mit der Aufnahme eines ausführlichen Inventariums der vorhandenen Gegenstände – was unter dem Beistande des Herrn Braß geschah – in Anspruch genommen war, und dann mußte er auch einige Geschäftsgänge machen, die ihn glücklicherweise immerhin ein paar Stunden fernhiel
ten. Da übrigens sein Geiz und seine Vorsicht jetzt vollkommen wach waren, so blieb er nie eine Nacht aus dem Hause, und seine täglich größer werdende Ungeduld, daß die Krankheit des alten Mannes einmal zu einem Ende führen möchte – einerlei ob gut oder schlecht –, machte sich bald in unverhohlenem Murren und in Ausbrüchen seines Unwillens Luft.
Nell bebte schüchtern zurück, sooft der Zwerg ein Gespräch mit ihr anfangen wollte, und flüchtete vor dem bloßen Tone seiner Stimme; aber auch das Lächeln des Advokaten war ihr nicht weniger schrecklich als Quilps Fratze. Sie lebte in einer beständigen Angst und Sorge, auf der Treppe oder in den Hausfluren einem oder dem andern dieser Unholde zu begegnen, wenn sie sich aus dem Zimmer ihres Großvaters stahl, so daß sie es nicht selten erst spät am Abend verließ. Dann gab ihr die Stille im Hause Mut, sich hinauszuwagen und in irgendeinem leeren Zimmer die reine Luft einzuatmen.
Eines Abends hatte sie sich an ihr gewohntes Fenster gestohlen und hing daselbst ihrem tiefen Kummer nach, weil der alte Mann einen gar schlimmen Tag gehabt hatte, als es ihr auf einmal vorkam, sie würde von jemandem unten auf der Straße gerufen. Und als sie hinunterschaute, erkannte sie Kit, dessen Bemühen, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sie aus ihren trüben Gedanken geweckt hatte.
»Miß Nell!« sagte der Knabe mit leiser Stimme.
»Ja«, versetzte die Kleine, noch im Zweifel, ob sie sich mit dem vermeintlichen Bösewicht in ein Gespräch einlassen sollte; sie fühlte aber noch immer Zuneigung zu ihrem alten Liebling und fügte daher bei:
»Was willst du?«
»Ich wollte Ihnen schon lange etwas sagen«, entgegnete der Knabe, »aber die Leute unten haben mich fortgetrieben und wollten nicht zugeben, daß ich Sie sehe. Sie glauben doch
nicht – Sie können es doch unmöglich glauben, hoffentlich –, daß ich verdiene, so verstoßen zu werden, wie man mich verstoßen hat! Oder glauben Sie es, Miß?«
»Ich muß es glauben!« erwiderte das Kind. »Warum würde sonst mein Großvater so zornig über dich gewesen sein?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Kit; »aber ich weiß gewiß, daß ich es weder um ihn noch um Sie verdient habe. So viel kann ich mit treuem und redlichem Gewissen behaupten. Und dann von der Tür fortgetrieben zu werden, da ich bloß kam, um zu fragen, wie es dem alten Herrn gehe …«
»Man hat mir das nie gesagt«, versetzte das Kind. »Ich habe wirklich nichts davon erfahren und hätte um alles in der Welt nicht gewollt, daß man dich so behandelt.«
»Ich danke Ihnen, Miß«, entgegnete Kit; »es ist mir ein Trost, Sie so sprechen zu hören. Ich habe stets gesagt, ich könne es unmöglich glauben, daß es auf Ihren Wunsch geschah.«
»Da hast du recht gehabt!« sagte das Kind
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