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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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wahrnahm, daß in der Entfernung jemand langsam auf die Schattenseite des Weges forttrabte und alle Augenblicke an irgendeiner Tür abzusteigen schien. Aber einer nach dem andern zog weiter, und noch immer wollte sich kein Penny verdienen lassen.
    »Ich möchte doch wissen«, dachte der Knabe, »ob nicht einer dieser Herren, um mich eine Kleinigkeit verdienen zu lassen, absichtlich halten und so tun würde, als hätte er irgendwo einen Besuch zu machen, wenn er wüßte, daß bei uns zu Haus nichts im Schranke ist.«
    Völlig ermattet vom Pflastertreten – der oft wiederholten Enttäuschungen gar nicht zu gedenken – hatte er sich eben auf eine Türtreppe gesetzt, um ein wenig auszuruhen, als eine kleine, rasselnde, vierräderige Chaise mit einem ziemlich störrisch aussehenden, rauhhaarigen Pony auf ihn zukam, das von einem kleinen, fetten alten Herrn mit einem gemütlichen Gesicht angefeuert wurde. Neben dem kleinen alten Herrn saß eine kleine alte Dame von ebenso beleibtem und gemütlichem Aussehen; und das Pony trabte ganz nach eignem Gutdünken
daher, tat, was ihm einfiel, ohne sich viel an seinen Leiter oder die Equipage überhaupt zu kehren. Wollte ihm der alte Herr durch Schütteln der Zügel eine Vorstellung machen, so antwortete das Pony durch ein Schütteln des Kopfes. Es war klar, daß das Höchste, wozu sich das Pony verstehen wollte, darin bestand, in seinem eignen Schritt allenfalls die Straße hinanzugehen, die der alte Herr ausdrücklich passieren wollte; es schien jedoch ein gegenseitiges Einvernehmen zwischen den beiden zu bestehen, daß das Tempo dem Pferde überlassen wurde, widrigenfalls es den Dienst überhaupt aufgesagt hätte.
    Als sie an der genannten Türtreppe vorbeikamen, blickte Kit so sehnsüchtig auf das kleine Fuhrwerk, daß der alte Herr ihn wiederum ansah, worauf Kit aufstand und die Hand an den Hut legte. Der alte Herr deutete sofort dem Pony seine Absicht an, haltzumachen – ein Vorschlag, dem das Pony, das selten gegen diese eine Pflicht etwas einzuwenden hatte, gnädig seine Zustimmung erteilte.
    »Ich bitte um Verzeihung, Sir«, sagte Kit; »es tut mir leid, daß Sie meinetwegen angehalten haben. Ich wollte nur fragen, ob ich auf Ihr Pferd achtgeben soll.«
    »Ich steige in der nächsten Straße ab«, entgegnete der Herr; »wenn du aber nachkommen willst, so soll dir dieses Amt übertragen werden.«
    Kit dankte und rannte mit Freuden hinter der Chaise her. Das Pony riß den Wagen in einem scharfen Winkel herum, um den Lampenpfosten auf der entgegengesetzten Seite der Straße zu inspizieren, und verfügte sich sodann in einer Diagonale nach dem Lampenpfosten auf der andern Seite. Nachdem es sich überzeugt hatte, daß Form und Material der beiden gleich waren, machte es halt, augenscheinlich ganz in seine Betrachtungen vertieft.
    »Willst du weitergehen, Bürschchen!« rief der alte Herr wür
devoll, »oder sollen wir warten, bis es zu spät wird für unser Geschäft?«
    Das Pony blieb unbeweglich.
    »O du Taugenichts von einem Klepper!« sagte die alte Dame. »Pfui über dich! Ich schäme mich deines Betragens!«
    Das Pony schien durch diese Appellation an sein Ehrgefühl gerührt zu werden, denn es trottete alsbald weiter, obgleich in einer sehr verdrießlichen Weise, und hielt sich unterwegs nicht mehr auf, bis es an einer Tür anlangte, auf deren Messingschild die Worte ›Witherden, Notar‹ zu lesen waren. Hier stieg der alte Herr ab, half der Dame heraus und zog dann unter dem Sitze einen Blumenstrauß hervor, der an Gestalt und Größe einer umfangreichen Wärmflasche mit kurzem Handgriff ziemlich ähnlich war. Diesen nahm die stattliche Dame mit würdevoller Miene mit ins Haus, und der alte Herr, der einen Klumpfuß hatte, folgte ihr auf der Ferse.
    Sie begaben sich, wie man aus dem Tone ihrer Stimmen entnehmen konnte, in das Vorderzimmer, das eine Art Kanzlei zu sein schien. Da es ziemlich warm war und die Straße zu den ruhigsten gehörte, standen die Fenster weit offen, so daß man leicht durch die venezianischen Rouleaus hören konnte, was im Innern vorging.
    Zuerst gab es viel Händeschütteln und Fußscharren, worauf die Überreichung des Blumenstraußes folgte, denn eine Stimme, die der Lauscher draußen für die des Herrn Notars Witherden hielt, rief zu wiederholten Malen: »Oh, köstlich! In der Tat ein herrlicher Wohlgeruch!«, und eine Nase, die gleichfalls das Eigentum des genannten Herrn sein mochte, sog hörbar mit ungemein vergnügtem Schnüffeln den

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