Der Raritätenladen
Duft ein.
»Ich brachte ihn zu Ehren der feierlichen Gelegenheit mit, Sir«, sagte die alte Dame.
»Ah, in der Tat eine Gelegenheit, Ma'am; eine Gelegenheit, die ich mir zur Ehre rechne, Ma'am, zur großen Ehre«, versetzte Herr Witherden, der Notar. »Es hat schon so mancher junge Mann bei mir gelernt, Ma'am; ja, schon mancher. Einige von ihnen wälzen sich jetzt in Reichtümern, ohne ihres alten Freundes zu gedenken, Ma'am; andere besuchen mich heutigentags noch und sagen mir: ›Herr Witherden, die vergnügtesten Stunden meines Lebens habe ich in Ihrem Bureau zugebracht – ja, Sir, sogar auf diesem nämlichen Schreibebock‹ –, aber nicht einer war unter ihrer Zahl, Ma'am, so sehr ich ihnen auch zugetan war, dem ich eine so glänzende Zukunft voraussagen könnte, als ich Ihrem einzigen Sohne prophezeie.«
»Ach, du mein Himmel!« sagte die alte Dame. »Gewiß, Sie können nicht glauben, wie glücklich Sie uns durch diese Versicherung machen.«
»Ich sage Ihnen, Ma'am«, entgegnete Herr Witherden, »was ich als ehrlicher Mann denke, der, wie der Dichter sagt, das edelste Werk Gottes ist. Ich stimme hiermit wie mit allem andern, was er sagt, vollkommen überein, Ma'am. Die Alpen auf der einen und der Kolibri auf der andern Seite sind, als Gebilde der Allmacht betrachtet, nichts gegen einen ehrlichen Mann – oder eine ehrliche Frau – ja, auch gegen eine ehrliche Frau.«
»Alles, was Herr Witherden von mir sagen kann«, bemerkte eine kleine, ruhige Stimme, »kann ich ihm doppelt und dreifach zurückgeben.«
»Es ist ein glücklicher Umstand, ein wahrhaft glücklicher Umstand«, sagte der Notar, »daß dies gerade an seinem achtundzwanzigsten Geburtstag zutrifft, und ich hoffe, daß ich das zu würdigen weiß. Sicherlich, mein lieber Herr Garland, dürfen wir uns gegenseitig zu diesem glückweissagenden Umstande gratulieren!«
Der alte Herr entgegnete, er sei vollkommen überzeugt davon. Dann schien wieder ein Händeschütteln stattzufinden, und als dies vorüber war, sagte der alte Herr, er sollte es zwar nicht sagen, aber er glaube, nie habe ein Sohn seinen Eltern mehr zur Freude gelebt, als Abel Garland den seinigen.
»Wir, seine Mutter und ich, haben uns erst in späteren Jahren geheiratet, Sir, nachdem wir lange genug auf günstige Verhältnisse gewartet – wir waren nicht mehr jung, als wir zusammenkamen, und trotzdem noch mit einem Kinde gesegnet werden – nun, das ist doch gewiß eine Quelle großen Glücks für uns beide, Sir.«
»Natürlich – das unterliegt gar keinem Zweifel«, versetzte der Notar in teilnehmendem Tone; »und die Betrachtung solcher Fügungen läßt mich mein Geschick beklagen, das mich zu einem Hagestolz bestimmt hat. Ich kannte einmal eine junge Dame, Sir, die Tochter eines Handelshauses von größter Respektabilität – doch das ist eine Schwäche. Chuckster, bringen Sie Herrn Abels Lehrkontrakt herein!«
»Sie sehen, Herr Witherden«, sagte die alte Dame, »daß Abel nicht wie der große Haufe anderer junger Leute aufgewachsen ist. Er hatte immer Freude an unserer Gesellschaft und war immer bei uns. Abel ist nie dem Elternhaus fern gewesen – keinen Tag; nicht wahr, mein Lieber?«
»Nie, mein Schatz«, entgegnete der alte Herr, »ausgenommen damals, als er sonnabends mit Herrn Tomkinley, einem Lehrer an der Schule, die er besuchte, nach Margate ging und am Montag wieder zurückkam; aber du erinnerst dich noch, meine Liebe, daß es ihm sehr übel bekam; das war schon zu viel für ihn.«
»Begreiflich; er war so etwas nicht gewöhnt«, erwiderte die alte Dame, »und so konnte er es natürlich nicht vertragen. Außerdem hatte er dort keine Freude, weil wir ihm fehlten und
er deshalb mit niemand plaudern oder sich unterhalten konnte.«
»Ja, das war es«, fiel dieselbe kleine, ruhige Stimme ein, die schon einmal gesprochen hatte; »ich war ganz in der Fremde, Mutter, ganz verlassen, und wenn ich dabei dachte, daß das Wasser zwischen uns lag – oh, ich will nie vergessen, was ich bei dem Gedanken fühlte, durch die See [ 3 ] von Ihnen getrennt zu sein.«
»Sehr natürlich unter diesen Umständen«, bemerkte der Notar. »Herrn Abels Gefühle machen seinem Herzen Ehre, und auch dem Ihrigen, Ma'am, und dem seines Vaters – überhaupt der ganzen menschlichen Natur. Nun erst kann ich genau den Strom verfolgen, der sich durch sein ganzes ruhiges und bescheidenes Wesen hinzieht. – Ich bin jetzt, wie Sie bemerken, im Begriff, unter Herrn Chucksters Namen meine
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