Der Raritätenladen
Unterschrift auf den Lehrbrief zu setzen; indem ich nun meine Finger auf diese ausgezackten blauen Stempel lege, sehe ich mich genötigt, mit deutlicher und fester Stimme – erschrecken Sie nicht, Ma'am, es ist bloß eine gesetzliche Form – zu erklären, daß ich dies tue mit bestem Wissen und Willen. Herr Abel wird seinen Namen dem andern Stempel gegenübersetzen und die gleichen kabbalistischen Worte wiederholen, womit das Geschäft abgetan ist. Ha ha ha! Sie sehen, wie leicht solche Dinge gehen.«
Es folgte nun ein kurzes Schweigen, während dessen Herr Abel wahrscheinlich die vorgeschriebenen Formalitäten erledigte; dann erneuerte sich das Händeschütteln und Fußscharren, und bald nachher hörte man das Klingen von Weingläsern und lebhaftes Stimmengewirr. Nach ungefähr einer Viertelstunde zeigte sich Herr Chuckster – mit der Feder hinter dem Ohr
und einem weinroten Gesicht – an der Tür, ließ sich herab, Kit mit dem scherzhaften Titel »junger Schlingel« anzureden, und eröffnete ihm, daß der Besuch jetzt herauskäme.
Und so war es auch. Herr Witherden, ein kleiner, pausbackiger, munterer, pomphafter Mann mit frischer Gesichtsfarbe, führte die alte Dame ungemein höflich am Arme, während Vater und Sohn Hand in Hand folgten. Herr Abel, der ein wunderliches, altväterisches Wesen an sich hatte, sah fast so alt aus wie sein Vater und war demselben in Gesicht und Haltung zum Sprechen ähnlich, obgleich ihm einiges von dessen Fülle, Rundung und Heiterkeit abging; diese ersetzte er durch scheue Zurückhaltung. In jeder andern Hinsicht aber, namentlich auch in der Zierlichkeit des Anzuges und selbst den Klumpfuß nicht ausgenommen, konnte man ihn das treue Konterfei des alten Herrn nennen.
Sobald die alte Dame unter Beihilfe des Sohnes wohlbehalten auf ihrem Platze saß und ihren Mantel nebst einem kleinen Korb, der einen unerläßlichen Teil ihrer Ausrüstung bildete, untergebracht hatte, stieg Herr Abel auf einen kleinen Bock, der augenscheinlich nur für seine persönliche Benutzung hinten angebracht worden war, und lächelte allen Anwesenden der Reihe nach zu, indem er bei seiner Mutter anfing und beim Pony aufhörte.
Man hatte viele Mühe, den Klepper so weit zu bringen, daß er den Kopf in die Höhe hielt und den Zügel festmachen ließ. Endlich kam man jedoch auch hiermit zustande, und der alte Herr, der sich inzwischen gesetzt und das Leitseil zur Hand genommen hatte, steckte jetzt die Hand in seine Tasche, um ein Sechspencestück für Kit hervorzuholen.
Aber weder er noch die alte Dame, noch Herr Abel, noch der Notar, noch Herr Chuckster besaß ein solches, und doch schien dem alten Herrn ein Schilling zuviel; da indes kein La
den in der Straße war, in dem man hätte wechseln lassen können, erhielt der Knabe einen ganzen Schilling.
»Da«, sagte er scherzend; »ich komme nächsten Montag um dieselbe Zeit wieder hierher. Daß du aber dann auch zur Stelle bist, Junge, um ihn vollends abzuverdienen.«
»Ich danke, Sir«, versetzte Kit, »ich werde gewiß hier sein.«
Er meinte es ganz im Ernste, und doch lachten alle herzlich über seine Worte, insbesondere Herr Chuckster, der laut vor Vergnügen wieherte und ganz begeistert von dem guten Witze schien. Da das Pony in der Vorahnung, daß es nach Hause gehe, oder mit dem festen Entschlusse, keinen andern Weg einzuschlagen – was so ziemlich auf das gleiche herauskam –, ziemlich wacker drauflos trabte, so hatte Kit keine Zeit, sich zu rechtfertigen, und ging daher seines Weges. Er verwendete seinen Schatz zu Einkäufen, von denen er wußte, daß sie zu Hause am liebsten gesehen wurden, ohne dabei den Hanfsamen für den wundervollen Vogel zu vergessen, und eilte dann so schnell er konnte zurück, von seinem Erfolg und seinem Glück in so freudige Stimmung versetzt, daß er schon beinahe überzeugt war, Nell und der alte Mann wären bereits vor ihm daselbst angelangt.
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[ 3 ] Herr Abel Garland meint damit nur die Themse.
Fünfzehntes Kapitel
Oft, während sie am Morgen ihrer Flucht durch die schweigenden Straßen der Stadt wanderten, zitterte Nelly in einem von Furcht und Hoffnung gemischten Gefühl, wenn ihre rege Phantasie in irgendeiner fernen Gestalt, die sie ungeachtet des klaren Himmels nur undeutlich zu unterscheiden vermochte, eine Ähnlichkeit mit dem ehrlichen Kit zu erkennen glaubte. Obgleich sie ihm gern die Hand gereicht und ihm ihren Dank
für das, was er bei der letzten Begegnung ihr gesagt hatte, ausgedrückt
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