Der Raritätenladen
nichts gegen ein so gelegenes Anerbieten einzuwenden. Nelly kniete neben der Schachtel nieder und war bald emsig mit ihrer Arbeit beschäftigt, die sie auch wunderbar ausführte.
Während der Arbeit sah ihr der heitere kleine Mann mit einem Interesse zu, welches sich keineswegs zu mindern schien, als er von ihr auf ihren hilflosen Begleiter blickte. Als sie fertig war, dankte er ihr und fragte, wohin sie reisten.
»Oh, nicht mehr weiter diesen Abend, glaube ich«, sagte das Kind mit einem Blick auf seinen Großvater.
»Wenn ihr ein gutes Nachtlager braucht«, bemerkte der Mann, »so möchte ich euch zu demselben Wirt raten, bei dem wir einquartiert sind. Dort ist es, das lange, niedrige, weiße Haus. Man wird sehr wohlfeil gehalten.«
Der alte Mann wäre, ungeachtet seiner Ermüdung, die ganze Nacht über auf dem Kirchhof geblieben, wenn seine neuen Bekannten gleichfalls daselbst ihr Lager aufgeschlagen hätten. So aber nahm er diesen Rat bereitwillig und mit Freuden an, worauf sich alle erhoben und gemeinsam fortgingen; er hielt
sich dicht hinter der Schachtel mit den Puppen, von denen er ganz berückt war; der heitere kleine Mann trug dieses wertvolle Gepäck an einem über die Achsel geschlungenen Riemen, Nelly ging an der Hand ihres Großvaters mit, und Herr Codlin schlenderte langsam hinterdrein, indem er gelegentlich den Kirchturm und die benachbarten Bäume mit den nämlichen Blicken beehrte, wie er sie in seiner Stadtpraxis nach den Kinder- und Gesindestubenfenstern zu werfen pflegte, wenn er sich nach einem bequemen Platz umsah, wo das Puppenspiel aufgepflanzt werden konnte.
Das Wirtshaus gehörte einem fetten, alten Wirte und einer Wirtin, die nichts gegen die Aufnahme ihrer neuen Gäste einzuwenden hatten; im Gegenteil, sie rühmten Nellys Schönheit sehr und waren sofort wie bezaubert. In der Küche befand sich außer den zwei Puppenspielern keine weitere Gesellschaft, und das Kind dankte Gott, ein so gutes Quartier gefunden zu haben. Die Wirtin war ungemein erstaunt, als sie hörte, daß sie den ganzen Weg von London zu Fuß gemacht hätten, und schien nicht wenig neugierig hinsichtlich ihrer weiteren Reiseabsichten zu sein. Das Kind wich ihren Fragen so gut als möglich aus, was um so leichter anging, als die alte Frau selbst davon abstand, sobald sie bemerkte, daß ihre Nachforschungen der Kleinen peinlich waren.
»Diese zwei Herren wünschen ihr Nachtessen in einer Stunde einzunehmen«, sagte die Wirtin, indem sie Nell mit in den Schenkverschlag nahm, »und ihr werdet guttun, wenn ihr mit ihnen speist. Inzwischen sollst du etwas bekommen, was dich erfrischen wird; denn sicherlich kannst du nach einem so langen Marsche etwas derart brauchen. Nun, du brauchst dich nicht um den alten Herrn zu sorgen, denn wenn du getrunken hast, soll er auch etwas bekommen.«
Da sich jedoch das Kind durchaus nicht bewegen ließ, ihn
allein zu lassen oder etwas zu berühren, wovon er nicht den ersten, größeren Teil hatte, so sah sich die alte Frau genötigt, ihn zuerst zu bedienen. Sobald sie sich in dieser Weise erfrischt hatten, eilte das ganze Haus zu einem leeren Stall, wo das Puppenspiel stand und wo bei dem Scheine einiger Talglichter, die in einem von der Decke herunterhängenden Faßreifen staken, die Komödie sofort beginnen sollte.
Und nun nahm Herr Thomas Codlin, der Menschenfeind, nachdem er sich auf der Papagenopfeife in eine völlige Erschöpfung geblasen hatte, seine Stellung rechts von der gewürfelten Leinwand ein, welche den Figurenlenker verbarg, und schickte sich an, die Hände in den Taschen, alle Fragen und Bemerkungen des Policinello zu beantworten und auf eine ganz grauenhafte Weise so zu tun, als wäre er dessen intimster Freund, als glaube er an ihn mit dem vollsten und unbegrenztesten Vertrauen und als lebe er der zuversichtlichsten Überzeugung, daß der Held des Stückes sich Tag und Nacht einer glorreichen Existenz in diesem Tempel erfreue und daß er jederzeit und unter allen Umständen dieselbe einsichtsvolle und lustige Person sei, als die ihn die Zuschauer jetzt erblickten. All dies tat Herr Codlin mit der Miene eines Mannes, der sich mit vollständiger Resignation in das Schlimmste zu schicken weiß, und sein Auge wanderte bei den treffendsten Erwiderungen langsam umher, um den Eindruck zu beobachten, den sie auf die Zuhörerschaft, insbesondere aber auf den Wirt und die Wirtin machten, was hinsichtlich der Zeche von besonders wichtigen Folgen sein konnte.
In dieser Hinsicht
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