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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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um einige Reparaturen an ihrer Bühnenausstattung vorzunehmen, denn einer von ihnen war beschäftigt, einen kleinen Galgen mit Zwirn zusammenzubinden, während der andere auf dem Kopfe des radikalen Nachbars, dem eine Glatze geschlagen worden war, unter Beihilfe eines kleinen Hammers und etlicher Stifte eine schwarze Perücke befestigte.
    Sie schlugen erst ihre Augen auf, als sich der alte Mann und seine Begleiterin dicht hinter ihnen befanden, hielten in ihrer Arbeit inne und erwiderten deren neugierige Blicke. Einer von ihnen, ohne Zweifel der eigentliche Puppenspieler, war ein kleiner Mann mit einem heitern Gesicht, blinzelnden Augen und roter Nase und schien, ohne es selbst zu wissen, einiges von dem Charakter seines Helden angenommen zu haben. Der andere – der, welcher das Geld einsammelte – sah ernster und vorsichtiger aus, was vielleicht ebenfalls notwendig mit seinem Geschäft zusammenhing.
    Der heitere Mann war der erste, welcher die Fremden mit einem Kopfnicken begrüßte, und als er den Augen des alten Mannes folgte, meinte er, vermutlich habe dieser noch nie einen Policinello außerhalb der Bühne gesehen. (Bei dieser Gelegenheit sei übrigens bemerkt, daß Policinello mit der Spitze seiner Mütze auf eine ungemein pathetische Grabschrift zu deuten und darüber aus dem Grunde seines Herzens zu lachen schien.)
    »Warum kommt ihr zu einer solchen Verrichtung hierher?« fragte der alte Mann, indem er sich neben den beiden niederließ und mit ungemeinem Vergnügen die Puppen betrachtete.
    »Je nun, seht Ihr«, versetzte der kleine Mann, »wir geben diesen Abend in dem Wirtshause dort eine Vorstellung, und da würde es nicht angehen, die Leute zusehen zu lassen, wie unsere Gesellschaft geflickt wird.«
    »Nicht?« rief der alte Mann, indem er Nell durch Zeichen bedeutete, daß sie zuhören solle, »warum nicht, he? Warum nicht?«
    »Weil es alle Täuschung zerstören und das Interesse aufheben würde – oder meint Ihr nicht?« entgegnete der kleine Mann. »Würdet Ihr Euch um den Lordkanzler nur noch so viel kümmern« – damit machte er eine Gebärde, die sagen sollte wie
viel –, »wenn Ihr ihn privatim und ohne seine Perücke gesehen hättet? Gewiß nicht!«
    »Gut!« sagte der alte Mann, indem er es wagte, eine der Puppen zu berühren, und dann mit einem schrillen Lachen die Hand zurückzog; »ihr wollt sie also heute abend zeigen, nicht wahr?«
    »Das ist unsere Absicht, Herr«, erwiderte der andere; »und wenn ich mich in Tommy Codlin nicht sehr täusche, so berechnet er in dieser Minute den Verlust, den wir dadurch erleiden, daß Ihr uns hier hinter die Kulissen guckt. Doch nur guten Muts, Tommy, er kann nicht bedeutend sein.«
    Der kleine Mann begleitete die letzten Worte mit einem Blinzeln, mit dem er sein Gutachten über den Stand der Finanzen unserer Reisenden ausdrückte.
    Herr Codlin, der ein sauertöpfisches und brummendes Wesen an sich hatte, nahm jetzt den Policinello von dem Grabstein, warf ihn in die Schachtel und sagte:
    »Ich mache mir nichts daraus, wenn wir auch einen Farthing verloren haben; aber Ihr seid zu leichthin! Wenn Ihr so vor dem Vorhang ständet und die Gesichter des Publikums sehen würdet wie ich, so würdet Ihr Euch besser auf die menschliche Natur verstehen.«
    »Oh! Es ist nicht gut für Euch gewesen, daß Ihr Euch auf diese Branche gelegt habt«, entgegnete sein Gefährte. »Als Ihr noch den Geist in den eigentlichen Jahrmarktskomödien spieltet, glaubtet Ihr an alles, nur nicht an Geister; aber nun seid Ihr mißtrauisch gegen alle Welt. Ich habe nie einen Menschen sich so ändern sehen.«
    »Gleichviel«, entgegnete Herr Codlin mit der Miene eines unzufriedenen Philosophen, »ich weiß es jetzt besser, obgleich ich gerade nicht sagen kann, daß es mir viel Freude macht.«
    Herr Codlin beugte sich nun über die Figuren in der Schach
tel, einem Manne gleich, der sie kannte und daher verachtete, zog eine hervor und reichte sie seinem Freunde zur Besichtigung hin:
    »Seht einmal an, Judys Kleider sind schon wieder in Fetzen gegangen. Vermutlich habt Ihr weder Nadel noch Faden bei Euch?«
    Der kleine Mann schüttelte den Kopf und kratzte sich mit einer Jammermiene hinter den Ohren, als er dieses übeln Zustandes einer Hauptperson ansichtig wurde. Als Nell ihre Verlegenheit wahrnahm, sagte sie schüchtern:
    »Ich habe Nadel und Faden in meinem Korbe, Sir. Wollt Ihr mich die Figur ausbessern lassen? Ich glaube, ich kann es hübscher machen als Ihr.«
    Selbst Codlin hatte

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