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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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erscholl und gegen sie heftige Anklage erhob, weil sie ins Heiligtum gedrungen waren; und sie eilten im Schutze des vorspringenden Hügels weiter, bis sie ins freie Feld kamen.
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    [ 5 ]  Der süße Wilhelm.

Zwanzigstes Kapitel
    Tag für Tag, sooft Kit von einem neuen Versuche, sich eine Beschäftigung zu verschaffen, heimkehrte, erhob er seine Augen zu dem Fenster des Stübchens, das er Nelly so angelegentlich empfohlen hatte, und hoffte irgendein Merkmal ihrer Anwesenheit wahrzunehmen. Sein sehnlicher Wunsch und die Versicherung, die er von Quilp erhalten hatte, ließen ihn fest daran glauben, sie werde noch kommen, um das einfache Obdach, das er ihr angeboten, in Anspruch zu nehmen; und aus der toten Hoffnung des einen Tages entsproßte eine neue für den darauffolgenden Tag.
    »Ich glaube gewiß, daß sie morgen kommen, was meint Ihr, Mutter?« sagte Kit mit einem Seufzer, indem er erschöpft seinen Hut niederlegte. »Sie sind schon eine Woche fort und können doch gewiß nicht länger als acht Tage ausbleiben – oder doch?«
    Die Mutter schüttelte den Kopf und erinnerte ihn, wie oft er schon vergeblich gehofft habe.
    »Was das anbelangt«, entgegnete Kit, »so habt Ihr freilich recht und sprecht vernünftig wie immer, Mutter. Und doch sollte ich meinen, eine Woche sei lange genug für sie, um draußen herumzuschweifen; müßt Ihr das nicht selber auch sagen?«
    »Lange genug, Kit, und sogar länger als genug; aber sie kommen vielleicht trotzdem nicht zurück.«
    Kit war einen Augenblick geneigt, sich über diesen Widerspruch zu ärgern, um so mehr, als er selbst auch schon darauf verfallen war und dessen Richtigkeit anerkennen mußte. Es war jedoch nur eine momentane Regung, und der verdrießliche Blick wandelte sich in einen freundlichen, noch ehe er durch das Zimmer geschweift war.
    »Aber was kann wohl nach Eurer Meinung aus ihnen geworden sein, Mutter? Ihr glaubt doch nicht, daß sie etwa aufs Meer gegangen sind?«
    »Wenigstens gewiß nicht, um Matrosen zu werden«, entgegnete die Mutter mit einem Lächeln. »Aber unwillkürlich kommt mir der Gedanke, daß sie sich ins Ausland begeben haben.«
    »O Mutter, redet nicht so!« rief Kit mit einer Jammermiene.
    »Ich fürchte, daß es so ist und daß ich das Wahre getroffen habe«, erwiderte sie. »Alle Nachbarn sind derselben Meinung, und einige wollen sogar wissen, daß man sie an Bord eines Schiffes gesehen hat; sie nennen sogar den Namen des Ortes, den sie aufsuchten, er ist aber so schwer auszusprechen, daß ich ihn nicht behalten konnte, mein Lieber.«
    »Ich glaubs nicht«, sagte Kit, »kein Wort glaube ich davon. Tratschmäuler, wie sollten die es wissen können!«
    »Natürlich können sie auch unrecht haben«, versetzte die
Mutter; »ich kann da nichts sagen, obgleich ich es nicht für ganz unmöglich halte, daß sie recht haben. Sie sagen, daß der alte Herr etwas Geld zurückgelegt hat, von dem niemand etwas wußte, nicht einmal jener kleine, häßliche Mann, von dem du mir erzähltest – wie heißt er doch? – Quilp? und daß er und Miß Nell fortgegangen sind, um im Ausland zu leben; dort könnte man ihnen nichts nehmen und sie würden von niemand beunruhigt werden. Dies darf einem doch nicht so ganz unwahrscheinlich vorkommen – oder?«
    Kit kratzte sich traurig den Kopf und mußte wohl oder übel die Wahrscheinlichkeit zugeben; dann kletterte er zu dem alten Nagel hinauf, nahm den Käfig herunter und schickte sich an, ihn zu reinigen und den Vogel zu füttern. Bei dieser Beschäftigung kehrten auch seine Gedanken zu dem kleinen alten Herrn zurück, der ihm den Schilling gegeben hatte, und es fiel ihm plötzlich ein, daß heute der Tag, ja sogar jetzt fast die Stunde sei, für die ihn der kleine alte Herr zum Hause des Notars befohlen hatte. Kaum war ihm dies durch den Kopf geschossen, als er den Käfig rasch wieder aufhängte, seiner Mutter hastig den Grund seines Ausgangs erklärte und sich in vollem Galopp nach dem bestimmten Orte in Bewegung setzte.
    Es waren ein paar Minuten über die angegebene Zeit, als er die von seiner Wohnung ziemlich entlegene Stelle erreichte; aber zum guten Glück war der kleine alte Herr noch nicht angekommen, wenigstens war die einspännige Chaise nicht zu sehen, und es war sehr unwahrscheinlich, daß er in einer so kurzen Zeit angelangt und wieder abgefahren wäre. Sehr beruhigt dadurch, daß er nicht zu spät komme, lehnte sich Kit gegen einen Lampenpfosten, um sich zu verschnaufen, und erwartete die

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