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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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bald, daß Herr Codlin, sooft vor einem Dorfwirtshause oder an einem andern Platze haltgemacht wurde, um eine Vorstellung zu ge
ben, während seiner eignen Produktionen kein Auge von ihr und dem alten Manne verwandte oder mit dem Anscheine großer Freundschaft und Fürsorge den letzteren einlud, sich auf seinen Arm zu lehnen, und ihn auf diese Weise festhielt, bis das Spiel vorüber war und die Reise aufs neue anging. Selbst Short schien sich in dieser Hinsicht zu verändern und seiner Gutmütigkeit etwas von dem Wunsche beizumischen, sie in sicherem Gewahrsam zu halten. Dies erhöhte den Argwohn der Kleinen und machte sie noch ängstlicher und unruhiger.
    Mittlerweile näherten sie sich der Stadt, in der am nächsten Tage das Pferderennen beginnen sollte, immer mehr und mehr. Sie kamen an zahllosen Gruppen von Zigeunern und anderen Wanderern vorbei, die, alle zur Stadt ziehend, aus jedem Kreuz- und Nebenwege in die Landstraße einbogen und allmählich zu einem wahren Volksstrom anschwollen, in dem einige an der Seite ihrer bedeckten Karren einhergingen, andere auf Pferden oder Eseln ritten oder diese Tiere vor sich hertrieben und wieder andere mit schweren Lasten auf dem Rücken sich weiterschleppten – alle aber dem gleichen Ziele zusteuernd. Die Wirtshäuser an der Straße, die früher so leer und still gewesen waren wie in entfernteren Landesteilen, entsandten nun ein lärmendes Gejubel und Massen von Rauchwolken, und aus den trüben Fenstern schauten, dicht aneinandergedrängt, breite, rote Gesichter auf die Straße hinunter. Auf jedem Stückchen unbebauten Landes oder eines Gemeindeplatzes trieb irgendein kleiner Betrüger sein lärmendes Gewerbe und schrie die müßig Vorübergehenden an, sie möchten stehenbleiben und ihr Glück versuchen; das Gedränge wurde immer dichter und geräuschvoller; vergoldete Pfefferkuchen setzten in Leinwandzelten ihre Herrlichkeit dem Staube aus, und oft jagte eine vierspännige Equipage vorüber, hüllte alle
Wanderer in die von ihr aufgewühlte Wolke und ließ sie, betäubt und geblendet, weit hinter sich.
    Es dunkelte bereits, als sie die Stadt erreichten, und die letzten paar Meilen waren ihnen in der Tat sehr lang geworden. Hier sah man nichts als Tumult und Verwirrung; die Straßen waren von Menschenmassen erfüllt – darunter viele Fremde, nach den verwunderten Blicken zu urteilen, die sie um sich warfen –, die Kirchturmglocken ließen ihr lärmendes Geläute ertönen, und Flaggen wehten von den Fenstern und Hausgiebeln.
    In den Höfen großer Gasthäuser flogen Kellner, gegenseitig aneinanderstoßend, hin und her, Pferdehufe klapperten auf dem unebenen Pflaster, Kutschentritte fielen rasselnd nieder, und widerwärtige Düfte, von den mannigfachsten Speisen herrührend, betäubten mit ihrem schweren, lauwarmen Atem die Sinne. In den kleineren Wirtshäusern quiekten die Fideln mit aller Macht Tanzmelodien für wankende Füße; betrunkene Männer, den Refrain ihres Liedes vergessend, vereinigten sich zu einem sinnlosen Geheul, das das Klingeln der schwachen Glocke verschlang und sie zu einer wahren Wut nach Branntwein entflammte; vagabundierende Gruppen versammelten sich an den Türen, um umherziehende Tänzerinnen ihre Sprünge machen zu sehen und ihr eigenes Geschrei mit den Tönen der schrillen Stockpfeife und der betäubenden Trommel zu vereinigen.
    Über diesen Schauplatz des Wahnsinns führte Nelly, erschreckt und zurückgestoßen durch alles, was sie sah, den verwirrten alten Mann, indem sie sich fest an ihren Führer anklammerte, zitternd vor Angst, sie könnte in dem Gedränge von ihm getrennt werden und ihren Weg allein suchen müssen. Sie beschleunigten ihre Schritte, um dem Getöse und dem wüsten Treiben zu entkommen, und kamen endlich durch
die Stadt, von der aus sie sich zur Rennbahn begaben. Diese lag auf einer Anhöhe, eine volle Meile hinter den äußersten Grenzen des Ortes.
    Auch hier waren viele Leute, und zwar nicht von der begünstigten oder bestgekleideten Klasse, die geschäftig Zelte ausspannten, Pfähle in den Grund schlugen, mit staubigen Füßen hin und her eilten und manchen Fluch vor sich hin murmelten; müde Kinder krabbelten auf Strohhaufen zwischen Karrenrädern und weinten sich in den Schlaf; magere, müde Pferde und Esel, gerade erst von ihrer Last befreit, grasten zwischen Männern und Weibern, Töpfen und Kesseln, halb angezündeten Feuern und Kerzenstümpfchen, die in der Luft verflackerten, und trotzdem war das Kind froh, der

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