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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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verkehren, und die Blechkapseln und die Bündel bestäubten Papiers hatten in seinen Augen ein ehrwürdiges und Ehrfurcht gebietendes Aussehen. Auch war Herr Witherden ein gar geschäftiges kleines Männchen, das sehr laut und sehr schnell sprach; alle schauten auf Kit – und er sah so schäbig aus.
    »Nun, Junge«, sagte Herr Witherden, »du bist gekommen, um deinen Schilling abzuverdienen; oder vielleicht, um einen andern zu holen, he?«
    »Nein, gewiß nicht, Sir«, versetzte Kit, indem er seinen Mut zusammennahm und aufsah. »Ich habe nicht im entferntesten an so etwas gedacht.«
    »Der Vater noch am Leben?« fragte der Notar.
    »Tot, Sir.«
    »Die Mutter?«
    »Ja, Sir.«
    »Wieder verheiratet, he?«
    Kit erwiderte nicht ohne einige Entrüstung, daß sie eine Witwe mit drei Kindern sei, und was ihre Wiederverehelichung betreffe, könnte der Herr nicht an so etwas denken,
wenn er sie kennen würde. Auf diese Antwort begrub Herr Witherden seine Nase abermals in den Blumen und flüsterte hinter dem Strauße dem alten Herrn zu, er glaube, der Junge sei so ehrlich, wie man es nur wünschen könnte.
    »Nun«, sagte Herr Garland, nachdem noch einige weitere Fragen gestellt worden waren, »ich habe nicht im Sinne, dir noch etwas zu geben …«
    »Ich danke Ihnen, Sir«, versetzte Kit, und es war ihm vollkommen ernst damit, denn diese Ankündigung schien ihn des Verdachts zu entheben, auf den der Notar angespielt hatte.
    »Aber«, fing der alte Herr wieder an, »vielleicht möchte ich etwa Näheres über dich erfahren. Sage mir daher, wo du wohnst, damit ich es in meinem Taschenbuch aufzeichnen kann!«
    Kit nannte seine Wohnung, und der alte Herr notierte sie mit dem Bleistift. Dies war kaum geschehen, als sich ein großer Lärm auf der Straße erhob; die alte Dame eilte ans Fenster und rief, das Pony sei durchgegangen, worauf Kit dem Gaule nachstürmte, um ihn zurückzubringen; und die übrigen liefen hinter ihm her.
    Vermutlich hatte Herr Chuckster mit den Händen in den Taschen dagestanden, dem Pony nichtsahnend zugeschaut und es vielleicht gelegentlich durch Ermahnungen, als da sind: »Stillgestanden!« »Ruhig!« »Oha« und dergleichen, beleidigt: Kränkungen, die ein Pony von Ehrgefühl nicht ertragen kann. Der Klepper hatte, da ihm keinerlei Rücksicht auf schuldigen Gehorsam oder Pflichtgefühl abhielt und er nicht die geringste Scheu vor dem menschlichen Auge hatte, endlich Reißaus genommen und rasselte in diesem Augenblick die Straße hinab, während Herr Chuckster, ohne Hut und die Feder hinter dem Ohr, hinten an der Chaise hing und sie zum unaussprechlichen Ergötzen aller Zuschauer vergeblich in eine andere
Richtung zu zerren bemüht war. Aber selbst im Durchgehen war das Pony ein eigensinniger Bursche, denn es war noch nicht sehr weit gekommen, als es plötzlich haltmachte, und ehe man noch Hand anlegen konnte, begann es fast ebenso rasch rückwärts zu gehen, als es vorwärts gegangen war.
    Die Folge davon war, daß Herr Chuckster auf die schmählichste Art zu seinem Büro zurückgeschoben und gestoßen wurde, wo er dann in einem Zustande großer Erschöpfung und Verwirrung anlangte.
    Die alte Dame setzte sich nun auf ihren Platz und Herr Abel, den sie zu holen gekommen waren, auf den seinigen. Der alte Herr machte dem Pony Vorstellungen über sein außerordentlich unschickliches Betragen, erging sich in tausenderlei Entschuldigungen Herrn Chuckster gegenüber und nahm dann gleichfalls seinen Platz ein. Sobald alles in Ordnung war, fuhren sie ab, dem Notar und seinem Schreiber ein Lebewohl zuwinkend, und mehr als einmal drehten sie sich um und nickten Kit freundlich zu, der ihnen von der Straße aus nachsah.

Einundzwanzigstes Kapitel
    Kit entfernte sich und vergaß sehr bald das Pony, die Chaise, die kleine alte Dame, den kleinen alten Herrn und den kleinen jungen Herrn obendrein, indem er immer daran dachte, was wohl aus seinem letzten Herrn und dessen lieblicher Enkelin geworden sei, die die Quelle all seiner Gedanken waren. Während er so über alle möglichen Gründe für ihr Nichterscheinen nachsann und sich überredete, daß sie bald zurückkommen müßten, lenkte er die Schritte seinem Heim zu, um die Arbeit zu vollenden, in der er durch die plötzliche Erinnerung
an sein Versprechen unterbrochen worden war. Dann wollte er wieder forteilen und noch einmal sein Glück für den Tag versuchen.
    Als er an die Ecke des Hofes kam, in dem er wohnte – siehe, da war das Pony wieder! Ja, da war es, und

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