Der Rat der Planeten - Erweiterte und ueberarbeitete Gesamtausgabe der Space Opera
Augen auf, erhob sich von der Liege und unterbrach den Besuch auf einem Streitkometen, der einige tausend Parallaxensekunden entfernt durch den verbliebenen Rest des Universums flog.
»Jovinus!«, rief sie erschrocken. »Was willst du?«
»Verzeiht, Kaiserin! Einsatzadmiral Nilats wünscht Euch dringend zu sprechen.« Das Thronario schwebte dicht über dem Boden, bereit, das Kommunikationshologramm aufzubauen.
»Dann zeig ihn mir!«
Sogleich zeigte das kleine Thronario eine holografische Projektion des großen Thronarios. Anna saß auf dem Rand der Liegefläche. »Was ist, Nilats?«
»Kaiserin, achtzig Prozent der zivilen Schiffe fliegen als Konvoi zum Raantauus BB712.«
Anna nickte. »Sie gehen also auf meinen Vorschlag ein?«
»Jawohl, Kaiserin. Achtzig Prozent.«
Verunsichert betrachtete Anna das holografische Thronario. »Und die anderen zwanzig Prozent?«
»Zwanzig Prozent haben den Rückflug in den Dritten Distrikt begonnen.«
»Sie fliegen ... – Ist auch das Schiff von Soleina dabei?«
»Jawohl, Kaiserin.«
»Sie werden sterben. Sie werden alle sterben!« Anna schloss fassungslos die Augen und versuchte, die alte Frau zu erreichen.
›Soleina! Das kannst du den Kindern gegenüber nicht verantworten!‹ Die Wucht ihrer Gedanken mussten der alten Frau starke Schmerzen bereiten.
Und doch hörte Anna den Kapitän des Schiffes besänftigend reden: »Auf dem Weg zu BB712 würden wir sterben. Auf dem Weg zum Dritten Distrikt sterben wir mit Hoffnung. Erreichen wir den Dritten Distrikt, sterben wir nahe der Heimat, Kaiserin. Wie Ihr seht, Kaiserin, sind wir nicht auf Eure Erlösung angewiesen. – Und verzeiht die Ohrfeige! Mein Großvater sagte einst: Gleich nach dem täglichen Aufwachen sollte jeder Politiker eine schallende Ohrfeige erhalten, so dass er sich seiner Verantwortung am kommenden Tag bewusst wird. Daran dachte ich in jenem Moment jedoch nicht. Es war die Wut unserer gemeinsamen Ohnmacht. – Nun lass uns ziehen, Anna, Kaiserin des verblichenen Reiches Altoria! Wir gehen unseren Weg.«
Anna ließ resignierend von Soleina ab, sah auf dem Rückweg noch kurz die gewaltige Schiffsflotte, die entgegengesetzt zur Route der riesigen VERVOER flog, um ein Ziel zu erreichen, das es bald nicht mehr geben würde.
*
Mina lag auf dem Bauch in ihrem Quartier. Koor Fan lief unruhig hin und her. Das Schiff hatte seine Maximalgeschwindigkeit erreicht, die Sinne der Passagiere spielten mitunter verrückt. Eines aber erkannten Mina und ihr Vater deutlich auf dem eingeschalteten Monitor: Ein abrufbereiter Kommunikationssatellit eines ehemaligen Medienkonzerns übertrug seine letzten Bilder.
Zunächst färbte sich das Weltall jenseits des Doppelplaneten Fees weiß, dann flammend rot. Schließlich erschein eine monströse Welle, der man nicht zutrauen würde, dass sie sich irgendwo brechen könnte. Ihr Kamm überschlug sich ständig, rollte richtiggehend vorneweg. Für den Bruchteil einer Sekunde funkelte ein winziger Abschnitt der Welle purpurrot. Fees-Eins und Fees-Zwei blähten sich glühend auf, wurden dann plötzlich weiß und schließlich schwarz, schrumpften und verschwanden – verschlungen von der Antimateriewelle.
Lange Zeit schwiegen Mina und ihr Vater. Dann begann das Mädchen hektisch zu atmen und zu weinen.
Koor Fan hockte sich neben die Tochter und berührte sie zaghaft. »Eruption musste wenigstens nicht leiden. Es ging zu schnell, als dass dein Grootier ein Leid hätte spüren können.«
Nun drückte Mina das Gesicht in die eigenen Arme und weinte herzzerreißend. Sie weinte so sehr, dass Leif, Lykke, Malte, Guvaika und Reese die Schmerzen des Kindes von Fees miterleben mussten. Mina sah ein letztes Mal all die Tiere, die besonderen Arten, die Zurückgebliebenen, die Bauwerke, die Wälder, Wüsten und Ozeane.
Stunden später, als der ikonische Schiffskommander Telonia dem Mädchen im Flur des Schiffes begegnete, ging er zunächst an ihr vorüber, blieb jedoch im Flur stehen und dachte, ohne sich umzuwenden: ›Wir alle haben mehr als nur unsere Heimat verloren, Koor Mina. Und doch sollst du wissen, dass ich mit dir leide. Ich kannte Fees nur durch die Medien und hätte deinen Doppelplaneten gern näher kennengelernt. Doch war es mir nicht vergönnt.‹ Dann ging der große, alte Ikonier weiter.
Gerührt stand Mina im Flur des Streitkometen. In diesem Moment erst wurde ihr bewusst, wie sich die beiden intelligenten Rassen des Universums glichen. Warum nur kamen sie nie wirklich
Weitere Kostenlose Bücher