Der Rat der Zehn
immer wieder und in letzter Zeit ausschließlich gearbeitet hatte.
Isser war ein kleiner Mann, so daß Elliana ihn fast verschwinden ließ, als sie sich umarmten. Anders als Moshe besaß der ältere Isser nur wenige sichtbare Muskeln, aber Elliana wußte, daß viele Männer durch seine Hand umgekommen waren. Man wurde nicht Mossadchef und blieb es, ohne sich zunächst im Außendienst bewiesen zu haben.
»Du siehst müde aus«, sagte Isser.
»Es war eine lange Reise.«
»Die Müdigkeit, die ich sehe, hat wenig mit der Reise zu tun. Komm, setzen wir uns.«
Er deutete auf zwei Sessel, die an einer Seitenwand standen, in sicherer Entfernung vom Fenster. Männer in Issers Position lernten schnell, Fenster zu meiden. Der Raum selbst war einfach eingerichtet. Einige Tische, dazu passende Stühle, zwei Computerterminals, die im Moment ausgeschaltet waren – nur das Notwendigste.
Isser sprach, sobald sie beide saßen. »Du hast deine Berichte unregelmäßig abgegeben.«
»Es war schwierig«, verteidigte sich Ellie. »Ich habe die meiste Zeit verdeckt gearbeitet, ständig unter Beobachtung. Zu einem Briefkasten zu gehen wäre zu gefährlich gewesen.«
Er zögerte. »Du weißt, warum ich dich hergerufen habe, nicht wahr?«
»Ich … vermute es.«
»Ich mußte dich zurückrufen, Ellie«, sagte er mit Bedauern in der Stimme. »Deine gegenwärtige Operation kann nicht länger sanktioniert werden.«
»Aber warum denn nicht?«
»Weil wir keine Ergebnisse gesehen haben, keine Belege, die eine Weiterführung verdienen.«
»Wir hatten eine Abmachung, Isser.«
»Ja, vor fünf Jahren gab ich dir die Erlaubnis, alles, was notwendig war, zu tun, um die Mörder deines Ehemannes zu finden. Und nun haben fünf Jahre Zeit und vergeudeter Aufwand nichts eingebracht.«
»Keine fünf Jahre, Isser. Die ersten vier habe ich nur hin und wieder daran gearbeitet. Erst während des letzten Jahres habe ich mich der Sache ganz und gar gewidmet, und ich bin nahe dran. Diesmal bin ich sicher.«
»Ellie …«
»Nein, warte, hör mir zu. Ich habe Leute getroffen. Es gibt endlich Beweise, daß sich etwas tut. Ich habe ein Treffen in Prag arrangiert, das …«
»Ellie«, unterbrach Isser geduldig, »du bist einer unser besten Außenagenten und sicher unsere wertvollste Frau. Deine Taten sind Legende auf der Akademie. Niemand wird so wie du für außergewöhnliche Arbeit draußen respektiert. Wir können es uns nicht mehr länger leisten, dich wegen solch einer Phantomjagd zu entbehren. Du wirst woanders viel mehr gebraucht. Israels Existenz steht auf dem Spiel. Gaddafi hat das bißchen Verstand, das er mal besaß, ganz verloren. Der Friedensprozeß ist zusammengebrochen und hat Jordanien und Syrien näher zusammengebracht. Wir brauchen deine Erfahrung für Projekte, die direkter mit der Staatssicherheit verbunden sind.«
»Genau deshalb solltest du mir erlauben, weiter an meiner gegenwärtigen Aufgabe zu arbeiten. Der Rat der Zehn stellt für die Staatssicherheit eine größere Gefahr dar als alles, was sich durch den zerbröckelnden Friedensprozeß ergibt!«
»Der Rat der Zehn«, murmelte Isser. »Fünf Jahre Jagd, und alles, was du erreicht hast, ist der vage Titel, mit dem du begonnen hast.«
»Mehr als ein Titel, auch ein Ziel. Weltweite Herrschaft, Isser. Das ist es, was der Rat will, und sie werden nicht aufhören, bis sie es erreicht haben. Deshalb haben sie ihn getötet.«
Issers Augen drückten Mißbilligung aus. »Je länger etwas zurückliegt, desto selektiver werden unsere Erinnerungen, Ellie. David ist damals aus dem Kabinett zurückgetreten, um das Gesicht zu wahren. Er war kein Mann mit vielen Freunden, weder innerhalb noch außerhalb von Israel. Die Liste der möglichen Täter ist lang …« Isser beendete seine Ausführungen mit einem Achselzucken.
»Aber seine Aufzeichnungen erwähnten den Rat.«
»In einem Code, den nur du knacken konntest.«
»Basierend auf einer alten Sprache aus der Zeit Alexander des Großen. Der Rat war Alexanders Idee und offenkundig ein Plan, die Welt zu erobern und sie in zehn verschiedene Gebiete aufzuteilen, jedes durch einen Distriktgouverneur regiert. Alle zusammen sollten unter Alexanders Leitung die Politik bestimmen – als Zehnerrat.«
Isser schüttelte langsam den Kopf. »Fünf Jahre Außendienstarbeit, und alles, was du mir geben kannst, ist eine Lektion in Geschichte.«
Ellie hatte sich nie hilfloser gefühlt. Wie konnte sie Isser davon überzeugen, daß der Rat der Zehn
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