Der Rat der Zehn
Hand zitterte, als er Mastersons Privatnummer im DEA-Hauptquartier wählte. Er preßte den Hörer mit schweißnasser Hand gegen das Ohr.
»Agent Mastersons Büro«, kam die routinierte Antwort einer Sekretärin.
»Agent Masterson, bitte.«
»Wen darf ich anmelden, bitte?«
Drew begann seinen Namen zu nennen, dann unterbrach er sich. »Ich würde seine Geheimnummer nicht haben, wenn er mich nicht kennen würde.«
Sie zögerte nicht lange. »Einen Moment.«
Eine Pause, dann die Stimme eines Mannes.
»Hier spricht Sam Masterson.«
»Hier Drew Jordan. Ich nehme an, Sie kennen meinen Namen.«
Drew hörte, wie der Agent tief durchatmete. »Wer gab Ihnen diese Num …«
»Meine Großmutter. In einem Brief. Wir müssen uns unterhalten.«
»Nein! Nicht jetzt. Nicht … auf diesem Weg.«
»Wie dann? Und wann?«
»Es geht für eine Weile nicht. Zu viele …«
»Das war wohl nichts. Vielleicht sollte ich Ihnen den Brief vorlesen. Wir müssen uns unterhalten, und zwar schnellstens.«
Der Agent schwieg. Drew konnte ihn atmen hören.
»Geben Sie mir zwei Stunden. Brauner Ford Sedan. Ich warte draußen. – Wo sind Sie übrigens?«
»Hyatt Palm Beaches.«
»Okay. Kenne ich. Warten Sie einfach in zwei Stunden vor dem Eingang.«
»Was ist, wenn sie uns beobachten? Sie werden uns zusammen sehen.«
»Sie müssen Sie nicht beobachten. Sie wissen schon, wo Sie sind.«
Der braune Ford Sedan fuhr fünf Minuten nach den ausgemachten zwei Stunden vor dem Hyatt vor.
»Steigen Sie ein«, sagte Masterson und stieß die Tür für Drew auf, bevor der Portier eine Chance hatte, sich zu bewegen. »Schnell.«
Er fuhr an, noch bevor Drew die Tür ganz geschlossen hatte. Masterson sah wie etwa vierzig aus. Er hatte kurzgeschorenes schwarzes Haar, das zurückzuweichen begann, und blaue Augen, die nie aufhörten umherzuwandern. Er sprach schnell.
»Ich sollte das nicht tun.«
»Was tun?«
»Mich mit Ihnen treffen. Es ist falsch, völlig falsch.«
»Was mit meiner Großmutter passiert ist, ist völlig falsch.«
Die nervösen Augen blickten Drew ernst an. »Es war nicht meine Schuld. Sie kannte das Risiko.«
»Alles, was sie wußte, war, daß sie etwas tun wollte, um ihre Fehler wieder gutzumachen, und es endete damit, daß es sie das Leben kostete.«
Masterson fuhr rechts ab auf die Autobahn in Richtung Palm Beach International Airport. »Also, was wollen Sie von mir?«
»Ich bin mir nicht sicher. Zunächst einmal glaube ich, daß Sie mir einige Antworten schulden. In was genau war meine Großmutter verstrickt?«
»Das müssen Sie wissen, wenn Sie sonst alles wissen.«
»Aber ich weiß nicht, warum. Warum sollte jemand alte Damen dazu benutzen, Drogen zu schmuggeln?«
»Aus vielen Gründen«, sagte Masterson und wechselte mit quietschenden Bremsen auf die linke Spur, mit nervösen Augen in die Rückspiegel schauend. »Also … Wir fangen an, eine Kerbe in das Geschäft der Drogenkönige zu schlagen, indem wir die wichtigsten Kokainverteilerringe unterbrechen oder zerschlagen. Die Ware, die wir beschlagnahmt haben, dürfte kaum zwanzig Prozent von dem sein, was wahrscheinlich die Straße erreicht. Aber für deren Geschmack ist das zuviel. Fügen Sie den Druck, den Washington auf südamerikanische Regierungen ausübt, ihren Export von Stoff einzustellen, hinzu, und Sie haben ein Szenarium, in dem die Drogenkönige dazu gezwungen waren, andere Mittel und Wege zu finden, ihre Produkte ins Land zu bekommen.« Und Drew wieder anschauend: »Wie die Großmütter. Denken Sie darüber nach.«
»Das ist es, was ich tue.«
»Ihre Ferien auf den Bahamas waren nur Fassaden. Die Frauen nahmen immer einen Extrakoffer mit. Irgendwo in Nassau ließen sie dann ihre Koffer, und bevor sie nach Hause flogen, wurden ihnen die gleichen Gepäckstücke wieder zurückgegeben. Voll mit Kokain. Sie sehen, wir sprechen hier nicht über geringfügige Mengen. Jeder Urlaub sah die Großmütter mit über zweihundert Pfund reinem Kokain, Straßenwert bis zu dreißig Millionen Dollar, zurückkommen. Multiplizieren Sie das mit der Anzahl der Reisen, die sie gemacht haben, und Sie kommen auf dreihundert Millionen. Wer hätte das je vermutet?«
»Sie offensichtlich nicht, das heißt, bis meine Großmutter den Fehler machte, die so brillante DEA anzurufen.«
»Was passierte, war nicht unser Fehler.«
»Dann sagen Sie mir, wessen Fehler es war.«
»Was hat das jetzt noch für einen Sinn?«
»Es zählt, das ist alles.«
Masterson seufzte schwer.
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