Der Rat der Zehn
war Mace an seiner Entscheidung, Trelana zu töten, schuld.
Seine ersten Trainingsdurchgänge im Söldnercamp waren von Fehlern und Angst bestimmt, typisch für einen Amateur. Er erinnerte sich, wie er sich an eine Laufplanke, die vierzig Fuß über dem Boden aufgehängt war, festklammerte, während er dort durch Maschinengewehrfeuer festgenagelt wurde. Er dachte an seine ersten Streifzüge in den Dschungel bei individuellen Kriegsspielmanövern, Comicbuch-Abenteuer, bei denen er jedesmal zuerst ›gestorben‹ war.
Nach dem zweitenmal nahm ihn Mace zur Seite.
»Du denkst zuviel, Sohn«, belehrte ihn die Tötungsmaschine. »Übers Leben nachdenken, übers Sterben und was dein gottverdammter nächster Schritt sein sollte. Was du tun mußt: Du mußt lernen zu hassen …«
Mace erklärte weiter, daß dieser Haß nicht auf ein Individuum gerichtet sein sollte, sondern auf die Idee einer Niederlage, eines Mißlingens. Verfeinert konnte der Haß zu einer Waffe werden, die einem helfen konnte, das Unmögliche zu schaffen, jede Übermacht zu besiegen. Der Haß lehrt dich, nichts zu akzeptieren und vor nichts haltzumachen. Er war der große Gleichmacher.
»Nimm den Timberwolf damals auf Korsika«, hatte Mace gesagt. »Aus dem Hinterhalt von zwanzig Shitfressern mit automatischen Waffen überfallen, und er blieb am Leben. Tötete die meisten, und der Rest rannte in die Berge mit Flecken in ihrer Unterwäsche. Er hätte es nicht schaffen können ohne den Haß.«
»Aber er ist ein Profi, und du bist ein Profi«, erwiderte Drew. »Ich dachte immer, Professionelle sollten gar nichts fühlen …«
»Das ist meistens Quatsch. Wenn du da draußen alleine bist, auf dich selbst angewiesen, mit Shitfressern, die bereit sind, dir die Eingeweide rauszureißen, mußt du etwas fühlen. Ich kannte Männer, die waren eiskalt, aber das sind wenige und selten zu finden. Also mußt du etwas zum Hassen finden und darfst nicht aufhören zu hassen, bis du gewonnen hast, was in diesem Fall bedeutet, du bist immer noch am Leben, und die Shitfresser sind tot. Hör auf zu hassen, und du siehst kein Land mehr. Niemand, ich nicht und selbst der Timberwolf nicht, kann besser als irgendein anderer sein. Es ist der Haß, der dich überlegen sein läßt.«
Drew nahm sich Maces Worte zu Herzen. Er hatte das Söldnercamp lediglich als eine von Gewalt erfüllte Erweiterung seines eigenen Lebens gesehen, hatte versucht, die gleichen Regeln anzuwenden. Es hatte nicht funktioniert, da andere Regeln erforderlich waren. Beim nächsten Training mußten die gleichen Hindernisse überwunden werden, aber Drews Zögern und seine Verzweiflung waren verschwunden. Der Haß hatte sie ersetzt, Haß auf alles, was ihn zu Fall bringen konnte. Der Haß gab ihm die richtige Einstellung, wenn er in die Wälder ging, mit der einzigen Absicht zu überleben, was ihn sich lebendiger denn je fühlen ließ. Er schlief auf Bäumen, begraben unter Dreckschichten oder zwischen zwei Felsen gequetscht. Seine Konzentration ließ nie nach. Die bloße Erwägung einer Niederlage gab es nicht mehr, ebensowenig die des Erfolges. Es gab nur noch den Moment unmittelbar vor ihm. Ihn mußte er überleben, und dann konnte er zum nächsten kommen. Die kurze Zeitspanne war der Schlüssel. Ein Schritt zur Zeit. Er war unter den letzten fünf Überlebenden in den folgenden Durchgängen, und in den letzten waren nur noch er und Mace übriggeblieben. Der Haß hatte ihm gut gedient.
Jetzt war er zurückgekommen. Sein Geisteszustand war wieder wie der in den Wäldern. Ein Mann hatte seine Großmutter ermordet und würde versuchen, ihn zu töten. Der Mann mußte sterben. Der Haß erforderte es. Mace sagte immer: »Du kamst tretend, schreiend und allein zur Welt, und so kann es auch ganz gut bleiben, da alle anderen ohnehin Shitfresser sind.«
Masterson rief ihn am frühen Samstagabend zurück.
»Es gibt in Palm Beach eine Disco, die sich Chauncey nennt. Treffen Sie mich dort um zehn.«
Chauncey lag im Erdgeschoß des NCNB-Gebäudes auf dem Palm Beach Lakes Boulevard. Um zehn Uhr war die Disco überfüllt. Sie wies eine Marmortanzfläche und ein eindrucksvolles Art-Deco-Design auf. Masterson hatte einen Tisch auf der Seite mit Blick zur Tür. Er war gerade mit einem Drink beschäftigt, auf dessen Oberfläche eine durchweichte Zitronenscheibe schwamm, als Drew sich auf den Stuhl ihm gegenüber setzte.
»Vergessen Sie es, Junge«, waren seine ersten Worte. »Es geht nicht.«
»Wir würden uns hier
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