Der Rat der Zehn
mag dich, Mann«, sagte er. »Du bist mein Liebling.«
Aber dann war seine Hand in Bewegung, unglaublich schnell, wie eine Katze, die einem Garnknäuel nachjagt, von der Schulter an die Kehle zuckend. Der Junge taumelte zurück, während er spürte, daß ihm die Luft wegblieb. Seine Augen quollen hervor, und er sah die Kanone in Marcos Hand direkt auf seinen Mund gerichtet.
Die anderen Jungen waren zu schockiert, um sich zu bewegen, und als sie dann zur Tür sahen, war Miguel von hinten bereits über ihnen, packte sie am Kragen und schüttelte sie. Sie fühlten sich wie Puppen in seinen fleischigen Händen.
Marco schob den Lauf seines monströsen Revolvers in den Mund des Jungen mit der Lederjacke. Er spannte den Hahn. Verschwunden war die sanfte Freundlichkeit in seinem Gesicht. Wut war an ihre Stelle getreten.
»Du willst uns linken, Mann? Du willst uns linken?«
Die Augen des Jungen traten vor Angst hervor. Er versuchte etwas zu murmeln.
»Ich blas dir dein Hirn weg! Wie gefällt die die Idee, Mann?«
Der Junge machte in die Hose.
»Du verdammtes Baby. Als nächstes scheißt du, verstinkst unser Haus? Du verdammtes Baby, Gringopißhose.«
Marco stieß ihn gegen die Wand, seinen Haarschopf in der einen, die Kanone in der anderen Hand haltend.
Einer der Jungen, die Miguel festhielt, begann zu schluchzen. Miguel stieß ihn über einen Tisch.
»Ihr Kids glaubt, uns linken zu können!« schimpfte Miguel. »Ihr denkt, wir sind dumme spics, die nicht lesen können und so? Wir sind klüger als ihr Arschwischer. Wenn ihr unser Spiel spielt, habt ihr nicht euer eigenes zu machen. Ihr wollt für uns arbeiten, und wir geben euch euren Anteil. Ihr habt ihn euch nicht zu nehmen!«
»Es tut mir leid, es tut mir leid«, sagte der Junge. Eine Seite seines Gesichts war geschwollen.
Miguel tätschelte die Schwellung zärtlich. »Es ist gut, daß du nicht lügst, Gringo.« Er knallte den Kopf des Jungen wieder gegen den Tisch. »Aber leid tun reicht uns nicht.« Er sprach nun zu allen dreien. »Ihr Kids habt am Anfang gut für uns gearbeitet, aber wenn wir euch davonkommen ließen, würde es sich rumsprechen, daß man die Riveros linken kann, und das können wir uns nicht leisten. Also müssen wir euch alle drei fertigmachen. Wir werden es so aussehen lassen, als ob der Kriecher da drüben es getan hätte. Niemand wird es unterscheiden können. Ihr Kids hättet euch an den Deal halten sollen.«
Als Miguel sich zu dem immer noch auf dem Boden liegenden Fremden gedreht hatte, um seine Worte zu verdeutlichen, war ihm aufgefallen, daß etwas nicht stimmte, aber es schien nicht wichtig genug, sich deshalb Sorgen zu machen. Die Position des Fremden hatte sich vielleicht verändert. Vielleicht war sein Atem regelmäßiger geworden.
Egal!
Der Rest passierte sehr schnell. Seine neue Lage erlaubte Selinas ein problemloses Ziehen der Pistole aus einem Achselhalfter. Er hatte verschiedene andere Waffen bei sich, für den Fall, daß die Reveros ihn durchsucht und die Kanone gefunden hätten. Aber die Pistole war jetzt das, was er brauchte, wenn er die Kids hier herausbekommen wollte. Ihre Anwesenheit war unerwartet gewesen und hatte es notwendig gemacht, sich länger zu verstellen, als ihm lieb war.
Er nahm sich erst Miguel vor, nicht etwa, weil dieser angriff, als Selinas mit der Kanone in der Hand aufsprang, sondern weil das Erschießen von Marco mit einiger Sicherheit das unwillkürliche Durchdrücken des Abzugs und das Herumspritzen des Hirns des Jungen über die Wand bedeutet hätte. Er brauchte zwei Kugeln, um den bulligen Miguel zu stoppen, und in der Zwischenzeit hatte Marco die Kanone aus dem Mund des Jungen gezogen und brachte sie herum.
Selinas ließ sich zu Boden fallen und rollte ab. Hinter ihm ließ eine Kugel eine Lampe in tausend Stücke zerbrechen. Ein Teil der Beleuchtung ging aus. Eine weitere Kugel schlug vor ihm ein, während er abstoppte. Marco wollte gerade wieder feuern, als Selinas eine Kugel abschoß. Die glasierte Kugel, die aus hundert winzigen Körnern bestand, schmetterte in seine Schulter und riß seinen Arm halb aus dem Gelenk. Marco schlug schreiend rückwärts auf.
Selinas stand auf.
»Kommt hoch!« befahl er den drei Kids, die alle zusammengesunken auf dem Boden lagen. »Steht auf!«
Schließlich taten sie es, langsam, bis Selinas einen von ihnen selbst auf die Füße zog.
»Steht auf, und verschwindet von hier!«
Der eine, der sich in die Hose gemacht hatte, stand zitternd, die Arme um
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