Der Rat der Zehn
bezahlte die Nacht im voraus und war erleichtert zu hören, daß sich das Hotel nicht nur durch den Pool, sondern auch durch einen Zimmerservice auszeichnete. Er hatte nicht vor, sich zu irgendeiner Zeit außerhalb seines Zimmers aufzuhalten, besonders nicht in Restaurants oder Cafés.
Die Sonntagnacht in seinem Zimmer schleppte sich endlos dahin, während Drew ein Auge auf das verschwommene Fernsehbild und das andere auf die Tür gerichtet hielt, jeden Moment damit rechnete, daß Miami Vice krachend durch die Tür brach. Er versuchte sich zum Schlafen zu zwingen, aber er konnte nicht, obwohl sein Körper völlig erschöpft war. Nach ein paar Minuten unbehaglichen Schlummers in dem steinharten Bett stand er wieder auf. Vielleicht sollte er nach Sonnenaufgang ein paar Stunden am Pool verbringen, wo die frische Luft ihn wieder aufmöbelte. Aber es kam Regen, bevor die Sonne eine Chance hatte, und Drew fand sich damit ab, die Muster zu beobachten, die an die Fenster geschwemmt wurden.
Gegen neun Uhr hatte er gefrühstückt und Mastersons Privatnummer Dutzende Male ohne Ergebnis gewählt. Etwas war eindeutig nicht in Ordnung. Der einzige Weg herauszufinden, was passiert war, bestand darin, dem DEA-Hauptquartier einen Besuch abzustatten. Wenn Masterson ihn betrogen hatte, gab es viele offene Wege. Aber wenn Masterson selbst betrogen worden war …
Drew zog es vor, den Gedanken nicht weiterzuführen. Er hatte den Leihwagen gestern einige Meilen vom Hotel entfernt abgegeben und war in einem Taxi zurückgekommen. Die Polizei würde vielleicht in der Lage sein, die Spur des Wagens nach Miami und zur Leihwagenagentur zu verfolgen, aber Miami war eine große Stadt, und bis man ihn ausfindig gemacht hatte, würde Drew mit einigem Glück längst weg sein. Er rief von seinem Zimmer aus ein Taxi, das ihn zum Miami-Hauptquartier der DEA bringen sollte.
Das Gebäude lag in der Northwest Fiftythird Street. Es war eine moderne, dreistöckige Konstruktion inmitten von mindestens zwei Dutzend praktisch identischen Gebäuden, alle umgeben von ordentlich geschnittenen Hecken. Es deutete nichts darauf hin, welches die Büros der Drug Enforcement Agency enthielt, und er hätte es genausogut bei einigen der anderen Gebäude versuchen können, wenn der Fahrer ihn nicht genau vor der Tür abgesetzt hätte.
Er hatte kaum Probleme herauszufinden, wo Mastersons Büro lag, und nur wenige mehr, am Gebäudesicherheitsdienst vorbei in den Fahrstuhl zu gelangen. Die Kabine war überfüllt, und Drew war unter den ersten, die im ersten Stock ausstiegen. Die Tür zu Mastersons Büro, auf der sein Name deutlich sichtbar in schwarzen Buchstaben stand, stand offen.
Innen packte eine Sekretärin Unterlagen in Kisten. Sie sah erschrocken auf.
»Ist Agent Masterson da?« fragte Drew.
Auf ihrem Gesicht spiegelte sich erst Schock, dann Traurigkeit wider. Ihre Worte kamen flach. »Agent Masterson wurde getötet.«
Drew spürte einen Schlag in den Magen, aber er war nicht überrascht. »Wann?« brachte er heraus.
Natürlich, die Antwort würde Sonntag – gestern – sein, was erklären würde, warum der Plan so schiefgegangen war, warum er ins Too-Jay's gebracht und dann im Stich gelassen wurde.
Aber das war es überhaupt nicht, was sie sagte.
»Mittwoch«, kam die fast tränenerstickte Antwort der Sekretärin. »Es passierte am Mittwoch.«
Der Rest war undeutlich. Drew verließ das Büro ohne weitere Worte.
Agent Masterson wurde letzten Mittwoch getötet, und ich habe ihn am Freitag getroffen.
Vor dem Hauptquartier gelang es ihm, ein Taxi zu bekommen, das gerade einen Fahrgast abgesetzt hatte. Er verbrachte die Rückfahrt zum Hotel mit heruntergepreßtem Kopf und beschleunigtem Atem. Eine alles umfassende Furcht schüttelte seine Sinne. Irgendwo lag in all dem ein perverser Sinn.
Masterson war nicht Masterson, was hieß …
Das hieß was?
Drew zitterte. Alles war Täuschung gewesen. Nein, nicht alles. Die Tatsache, daß Masterson ermordet worden war, schien zu zeigen, daß seine Großmutter sich tatsächlich mit dem wirklichen Agenten in Verbindung gesetzt hatte. Als Folge davon waren beide ermordet worden, die anderen Großmütter ebenfalls, und wer weiß, wie viele andere noch.
Und Drogen waren irgendwie der Grund … Drogen, der einzige gemeinsame Nenner.
Aber was war mit dem Brief? Alle Fakten, die er enthielt, könnten der Wahrheit entsprechen, aber das hieß noch lange nicht, daß seine Großmutter ihn geschrieben hatte. Ja, der
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