Der Rattenfänger
Obwohl wir die Gebäude trotzdem durchsuchen lassen sollten. Ich veranlasse die Flusspolizei, diskret Nachforschungen anzustellen.«
Noch immer ziemlich niedergeschlagen, sagte der Richter zu seinem Sekretär: »Danke, Mr.Twigg. Ihre Akten waren wie immer äußerst aufschlussreich. Aber mir scheint, wir müssen woanders nach Hinweisen suchen.«
Es irritierte ihn, als Ezra Twigg nicht reagierte, sondern fasziniert auf ein Dokument starrte. Sobald der Sekretär merkte, dass er beobachtet wurde, blickte er auf und sagte: »Verzeihen Sie, Sir.«
»Mr. Twigg, was ist mit Ihnen?«, fragte James Read besorgt.
Der kleine Mann blinzelte wie eine Eule. »Ähm … ich glaube, ich habe etwas entdeckt, Sir.«
»Und was könnte das sein, Mr. Twigg?«
Der Sekretär schwenkte triumphierend das Dokument in der Luft. »Da ist noch ein Lagerhaus, Sir.«
Der Oberste Richter packte Twigg derart hart am Arm, dass sein Sekretär zusammenzuckte.
»Es ist allein meine Schuld, Sir. Als ich eben noch einmal das Verzeichnis der Liegenschaften Seiner Lordschaft durchging, ist mir aufgefallen, dass der Holzplatz nicht aufgeführt ist.«
»Welcher Holzplatz?«
»Nun, Sir, als Lord Mandrake seine Geschäfte in die neuen Docks verlagerte, hat er andere Liegenschaften verkauft. Dazu gehörten …« Twigg las vom Dokument ab: »… Lagerhäuser am Griffin’s Kai, an der Battle Bridge, am Brewers Quay und am New Bear Quay. Und noch zwei Lagerhäuser am Phoenis Kai, in Wapping und an der Trinity Street in Rotherhithe. Alle verkauft, Sir, alles aufgeführt, bis auf eins. Seine Lordschaft hat auch Holz aus dem Osten importiert. Seine Gesellschaft hatte dafür ein separates Lagerhaus mit dazugehörigem Holzplatz. Ich kann keinen Eintrag für den Verkauf dieser Liegenschaft finden.«
»Und wo liegt dieses Lagerhaus, Mr.Twigg?«
Pause.
»In Limehouse, Sir.«
Einen Kilometer flussaufwärts von Deptford.
Der Oberste Richter las Hawkwoods Gedanken. »Nehmen Sie Sergeant Jago mit!«, befahl er.
»Wollen Sie nicht den Kapitän der Thetis warnen?«, erkundigte sich Hawkwood.
James Read dachte kurz nach. »Das könnte problematisch werden. Sollte Lee tatsächlich Freunde in höher gestellten Positionen haben, wäre Lee gewarnt, dass wir ihm auf die Schliche gekommen sind. Und wir wollen auch keine unnötige Panik auslösen. Außerdem glaubt Lee, Sie seien tot. Das könnte für uns von Vorteil sein. Nein, Gentlemen, solange wir nicht wissen, wer Freund oder Feind ist, sind wir auf uns allein gestellt. Das heißt, Hawkwood, Sie müssen Lee und sein Unterseeboot finden und ihn daran hindern, seinen teuflischen Plan auszuführen. Unter allen Umständen. Es gibt kein Pardon. Haben Sie mich verstanden, Hawkwood? Sie haben völlig freie Hand!«
»Na, denn mal los«, sagte Hawkwood. »Komm, Nathaniel. Es gibt Arbeit.« Er drehte sich noch einmal zu dem Obersten Richter um und fragte: »Wo können wir Sie kontaktieren?«
James Read überlegte kurz. »Ich fahre nach Deptford. Dort können Sie mich erreichen.«
»Werden Sie den Prinzregenten warnen?«
»Ich werde mit seinen Beratern sprechen und ihnen vorschlagen, Seine Königliche Hoheit möge seinen Besuch auf der Thetis bis zum nächsten Auslaufen verschieben. Und jetzt machen Sie sich auf den Weg.«
Nachdem Hawkwood und Jago das Amtszimmer verlassen hatten, sahen sich der Oberste Richter und sein Sekretär nachdenklich an.
»Ich fürchte, Mr. Twigg«, flüsterte James Read, »uns stehen schwere Zeiten bevor.«
Twigg nickte nur. Seine Augen hinter den dicken Brillengläsern funkelten. Die Jagd war eröffnet, da roch der kleine Mann Blut.
»Und das bedeutet«, fuhr James Read fort, »wir müssen alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen. Gehen Sie noch einmal in Ihr Archiv, und bringen Sie mir alle Unterlagen, die wir über Sir Charles Yorke, Admiral Bartholomew Dalryde, Generalinspekteur Thomas Blomefield und Colonel Congreve haben. Hier ist Verrat im Spiel, Mr. Twigg. Und Verrat ist eine Seuche, die ich auszurotten gedenke!«
William Lee neigte den Kopf über die Blechschüssel, tauchte beide Hände in das Wasser und besprühte sein Gesicht mehrmals. Dann fuhr er sich durch das kurz geschnittene Haar. Tropfen kullerten über seine Wangen und sein Kinn. Er griff nach dem Handtuch.
Im Spiegel musterte er sein Gesicht, sah die ihm vertrauten Linien, die grauen Schläfen, den Stoppelbart auf Wangen und Kinn. Während er seine Haut trockentupfte, schweifte sein Blick durch das
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