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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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zu überdenken.
    »Alles ist möglich, Eure Majestät«, hatte Lee taktvoll geantwortet.
    Der Kaiser hatte Lee einen Monat Zeit für die Ausführung des Plans zugebilligt, ihm volle Unterstützung zugesagt und befohlen, ausschließlich Admiral Decres Bericht zu erstatten.
    Doch niemand hatte damit gerechnet, dass der heimliche Beobachter, Harry St. John Ramillies, mit dem Leben davongekommen sein könnte.
    Napoleons Agenten hatten das im Verlauf ihrer Ermittlungen gegen die in England lebenden Sympathisanten der Bourbonen herausgefunden. Der britische Spion lebe noch. Er erhole sich von seiner Verwundung und sei mit Hilfe royalistischer Widerständler auf der Flucht. Schlimmer noch, man vermute, dass er Kopien der Konstruktionspläne für das Unterseeboot bei sich habe.
    Eine wagemutige Flucht, die auf einer einsamen, vom Unwetter gepeitschten Straße im Heideland von Kent ihr abruptes und blutiges Ende gefunden hatte. Da es jedoch gelungen war, wieder in den Besitz der Skizzen zu kommen, konnte die Mission wie geplant vorbereitet werden.
    Bis zwei neugierige, lästige Runner, Henry Warlock und Matthew Hawkwood, in Lord Mandrakes Stadtpalais aufgetaucht waren und unangenehme Fragen gestellt hatten. Das spurlose Verschwinden einer so angesehenen Person wie Master Woodburn hatte natürlich Nachforschungen der Behörden zur Folge gehabt.
    Womit nicht zu rechnen gewesen war, war die Kompetenz und Hartnäckigkeit, mit der die beiden Männer die Spur verfolgt hatten. Denn das Amt in der Bow Street hatte nicht irgendeinen Constable mit den Nachforschungen beauftragt, sondern zwei ihrer besten Polizisten.
    Aber Scully hatte dafür gesorgt, dass auch von dieser Seite keine Gefahr mehr drohte. Er hatte beide Männer umgebracht und Lee damit ermöglicht, ungestört seinen Plan in die Tat umsetzen zu können. Die Zerstörung des Schiffs war jetzt nur noch eine Frage von ein paar Stunden.
    Wieder schweifte Lees Blick zum Fenster. Die Themse war die Lebensader der Stadt. Eine Ader, die sich bald eine ernste Wunde zuziehen würde. Keine tödliche Wunde, nein. Doch der Anschlag würde die Nation lähmen und die Kriegsvorbereitungen der Briten erheblich stören, sodass Napoleon Gelegenheit bekäme, seine Truppen neu aufzustellen, um in die Offensive gehen zu können.
    Bald würde ein Schiff explodieren, ein Prinzregent sterben und die Briten vor Angst erzittern.
    Und dann endlich würden Vater und Bruder gerächt sein.
    Rache, dachte Lee, als er sich anzog, kann tatsächlich nur kaltblütig verübt werden.
     
    Hawkwood saß, die Ellbogen auf das Ruder gestützt, im Bug des Boots und versuchte, seinen klebrigen Schweiß im Nacken und unter den Achseln zu ignorieren. Seine Jacke hatte er ausgezogen und neben sich gelegt. Jago, ebenfalls auf sein Ruder gestützt, amüsierte sich über Hawkwoods Unbehagen.
    Um möglichst unauffällig in das Lagerhaus eindringen zu können, hatten die beiden beschlossen, über den Fluss zu rudern. Sechs Penny und Hawkwoods Ausweis hatten einen Fährmann an der Anlegestelle Ratcliff Cross davon überzeugt, ihnen sein Boot zu überlassen.
    Jetzt ließen sie sich etwa fünfzig Meter von den Limehouse Docks entfernt treiben. Hawkwood blickte über seine linke Schulter in Richtung der westlichen Zufahrten zu den Kanälen und Buchten der ausgedehnten West India Docks. Dahinter wurde die Themse noch breiter und floss dann nach Süden in Richtung Deptford und Isle of Dogs.
    Kurz nach Sonnenaufgang herrschte bereits reges Treiben auf der Themse. Leichter, Barken, Bumboote, Kutter und Kohlenschiffe dümpelten dicht gedrängt im Wasser und warteten auf eine Gelegenheit, ihre Ladung zu löschen und neue Fracht an Bord zu holen. Weiter unten ragten die hohen Masten der großen Handels- und Kriegsschiffe in den Himmel.
    Am Ufer herrschte ebenso dichtes Gedränge. Landungsstege bogen sich unter dem Gewicht von Kohlensäcken, Tabakballen, Holzbalken und von Kisten mit gackerndem und blökendem Vieh. Die Gerüche spiegelten die Vielfalt der Handelsgüter wider und vermengten sich mit den scharfen, ätzenden Schwaden der Kalkbrennereien und Teeröfen.
    Plötzlich richtete sich Jago auf und deutete mit dem Kopf zum Ufer. »Land in Sicht, Cap’n.«
    Hawkwood drehte sich und folgte Jagos Blick.
    Das Lagerhaus unterschied sich nur durch ein Brett mit verblasstem Namen, das über dem Kai angenagelt war, von den Nachbargebäuden. Es lag direkt neben der Zufahrt zum Limekiln Dock mit seinen Kornspeichern und Lagern, wie sie

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