Der Rattenfänger
ein ausgezeichneter Polizist mit etwas unkonventionellen Methoden, zugegeben. Aber meine jahrelangen Erfahrungen im Umgang mit Gesetzesbrechern rechtfertigen den Einsatz ungewöhnlicher Mittel.«
Dem Seelord schien es die Sprache verschlagen zu haben, denn er starrte den Obersten Richter nur mit offenem Mund an.
»Diese Ansicht entbehrt nicht einer gewissen Logik«, warf Blomefield ein. »Ein im Töten erfahrener Jäger bringt Mörder zur Strecke. Ich bin der Meinung, Sie haben den richtigen Mann für diese Aufgabe gewählt. Es würde mich jedoch interessieren, unter welchen Umständen Hawkwood in Ihre Dienste trat.«
James Read deutete diese lächelnd formulierte Frage als ein Entgegenkommen des Generalinspekteurs und sagte schnell: »Er wurde mir empfohlen.«
»Von wem?«, hakte Blomefield nach.
»Von Colonel Colquhoun Grant.«
Blomefield schnappte höchst beeindruckt nach Luft, denn Colquhoun Grant war einer von Wellingtons erfahrensten Kundschaftern. Kundschafter arbeiteten hinter den feindlichen Linien und spähten die Größe und das Bewegungsmuster der gegnerischen Truppen aus. Offizier Grant war das Hauptverbindungsglied zwischen den Guerilleros und dem Nachrichtendienst des Herzogs. Und obwohl die Aktivitäten des Colonels strengster Geheimhaltung unterlagen, war er in Militärkreisen eine bekannte Persönlichkeit.
»Gott verdammt!«, fluchte Blomefield wieder. »Die Gerüchte stimmen also. Ihr Mann ist damals in die Berge geflüchtet.«
Dann wandte sich der Generalinspekteur lächelnd an den Seelord: »Ich habe nicht den Mut, mich mit Colonel Grant anzulegen. Wie stehen Sie dazu, Mylord?«
Charles Yorke bedachte Blomefield nur mit einem bösen Blick.
Insgeheim mochten sich der Seelord und die beiden dem Ministerium zugeordneten Offiziere wohl die Frage stellen, warum James Read den obersten Nachrichtenoffizier Wellingtons persönlich kannte, aber niemand wagte diese Frage auszusprechen. In eingeweihten Kreisen kursierte das Gerücht, dass die Befugnisse des Obersten Richters weit über innenpolitische Angelegenheiten hinausgingen und dass zwischen der Bow Street und den verschiedensten Behörden geheim gehaltene Verbindungen bestünden. Hinter vorgehaltener Hand wurde gemunkelt, es gebe sogar einen Spionagering. Doch diese Vermutung würde wie viele andere in diesem zweifelhaften Metier weder bestätigt noch geleugnet werden.
»Darf ich interessehalber noch fragen, wen Hawkwood in diesem Duell getötet hat?«, wollte Dalryde jetzt wissen.
In James Reads Wange zuckte ein Nerv. »Es war Delancey, ein Neffe des Herzogs von Rutland.«
»Kein großer Verlust, wenn ich mich recht erinnere«, murmelte Blomefield.
»Das ist ein ziemlich harsches Urteil«, meinte Dalryde und hob missbilligend eine Braue.
»In der Tat«, stimmte der Seelord zu und fixierte den Generalinspekteur mit scharfem Blick. »Nach allem, was man hört, handelt es sich um eine ehrenwerte Familie. Und könnten Sie dem Admiral und mir bitte näher erklären, warum Hawkwood seinerzeit in die Berge flüchtete?«
James Read fing Blomefields um Unterstützung heischenden Blick auf und nickte nach kurzem Zögern.
Thomas Blomefield sammelte seine Gedanken und sagte: »Die ganze Geschichte trug sich während der Schlacht bei Talavera zu.«
»Das 95. Rifles Regiment unterstand damals doch Crauford, nicht wahr? Ich dachte, die Marschkolonne hätte an dem Kampf nicht teilgenommen, weil sie erst einen Tag später dort eintraf.«
»Das stimmt«, bestätigte Blomefield nickend. »Aber Hawkwood gehörte nicht zum Haupttrupp. Wellington hatte eine Hand voll Scharfschützen angefordert und sie dem Vorauskommando zugeteilt. Wellington wollte wohl wissen, ob das Rifles Regiment seinem Ruf gerecht wurde. Und Hawkwood war unter den Auserwählten.« Blomefield fügte grinsend hinzu: »Er scheint die irritierende Angewohnheit zu haben, immer im richtigen Augenblick am richtigen Ort zu sein.«
»Offensichtlich«, bemerkte der Seelord sarkastisch. »Und was ist dann passiert?«
»Es geschah nach dem Angriff der Franzosen unter dem Kommando von Lapisse und Sabastiani, den Sherbrooks Division abgewehrt hat. Das Gardekorps und die Deutschen hätten sich beinahe überrannt und haben hintereinander den Fluss überquert. Erinnern Sie sich daran, Mylord?«
Der Seelord nickte nur wortlos. In den Zeitungen war ausführlich über diese Schlacht berichtet worden, ohne allerdings Hawkwoods Beteiligung daran zu erwähnen. Zum Glück.
»Captain Hawkwood hat dem
Weitere Kostenlose Bücher