Der Rattenfänger
höchsten Aufklärungsrate von Diebstählen. Außerdem hat er ausgezeichnete Kontakte zur Unterwelt. Wenn jemand diese Mörder zur Strecke bringen kann, dann er.«
Trotz der Skepsis, die der Seelord auch in den Augen von Blomefield und Dalryde wahrnahm, seufzte er und gab klein bei. »Na gut, Read. Wie es scheint, bleibt uns nichts anderes übrig, als Ihre Entscheidung zu akzeptieren. Mal sehen, ob sich Ihr Mann bewährt. Ich erwarte jedoch, dass dem Ministerium jeden Tag Bericht erstattet wird. Ist das klar?«
»Wie Sie wünschen!« Read deutete eine Verneigung an.
Worauf der Seelord mit dem Finger auf James Reads Brust deutete und drohend hinzufügte: »Hoffentlich behalten Sie Recht, Sir. Denn Gott möge Ihnen helfen, sollte Ihr Mann versagen – oder vielmehr: Gott steh uns allen bei.«
Das Mädchen war schmutzig und konnte nicht älter als zwölf oder dreizehn sein, aber ihre Augen waren die einer alten Frau. Mit einem verschlagenen Gesichtsausdruck hatte sie zu ihm hochgesehen, sich aufreizend über die Lippen geleckt und dann einfach gesagt: »Jago schickt mich.«
Dann ging das verwahrloste Kind in dem zerschlissenen Kleid neben Hawkwood her. Ihm entging nicht, wie die Leute beim Anblick dieses seltsamen Paars reagierten: die spöttischen Blicke, die anzüglich grinsenden Gesichter, das sich gegenseitige Anstoßen und Zuzwinkern. Natürlich bemerkte auch das Mädchen, welche Aufmerksamkeit sie erregten, doch es schien ihr gleichgültig zu sein. Zweifellos war sie daran gewöhnt.
Die Great Earl Street entlang, vorbei an der Kreuzung Seven Dials, zur Kirche St. Giles führte sie ihn durch ein finsteres Gassengewirr, wohl aus Vorsicht, um eventuelle Verfolger abzuschütteln.
An einer Straßenecke, im Schatten des Kirchturms, hatte das Mädchen ihn am Ärmel gepackt und mit dünner Stimme gewarnt: »Bleib dicht bei mir.«
Einen ganzen Tag hatte Hawkwood darauf gewartet, dass Jago auf seine Nachricht reagierte, und diese Zeit genutzt, um mit dem Offizier der berittenen Patrouille, die die Wegelagerer in die Flucht geschlagen hatte, Kontakt aufzunehmen.
Weil Hawkwood den Exmajor der Dragoner Lomax bisher noch nicht persönlich kannte, war er schockiert, als er den Mann traf. Die rechte Seite seines Gesichts bestand von der Braue bis zum Hals nur aus Narbengewebe, die leere Augenhöhle war ein Krater aus zerfetztem Fleisch und der Kiefer sah aus, als hätte jemand ein Brandeisen darauf gedrückt.
Nachdem sich Hawkwood wieder gefasst und sich gezwungen hatte, den Blick nicht abzuwenden, hörte er sich Lomax’ Schilderung der Ereignisse in jener Nacht an.
Es sei nur einem Zufall und der unwetterbedingten Verspätung der Postkutsche zu verdanken, dass seine Patrouille während ihrer Streife durch das Heideland den Überfall bemerkt und eingegriffen habe, erklärte der Major. Er habe zwei seiner Männer bei der Kutsche postiert und mit dem Rest seines Trupps die Räuber verfolgt, ihre Spur jedoch wegen des heftigen Regens nach circa einer Meile in der Gegend von Bermondsey im Norden der Hauptstadt verloren. Das bedeutete, dass die Räuber jeden der etwa ein Dutzend Wege hatten einschlagen können.
Hawkwood unterdrückte seine Enttäuschung über die wenig aufschlussreichen Hinweise – obwohl er nicht viel mehr hatte erwarten können – und bedankte sich bei Lomax.
Da sprach der Exmajor ihn, nach Worten ringend, noch einmal an. »Da gibt es etwas, das Sie wissen sollen. Ich war in Talavera, beim 23. Regiment der Leichten Brigade unter Anson. Ich … das heißt … wir …« Lomax holte tief Luft, ehe er fortfuhr: »Ich meine … dieser Delancey war ein schlechter Offizier. Niemand hat ihn gemocht, und dieser idiotische Angriff hat vielen tapferen Männern das Leben gekostet. Nur Sie haben ihm gesagt, was gesagt werden musste, und getan, was getan werden musste. Viele Kameraden waren der Meinung, dass Sie Besseres verdient hätten.« Lomax zuckte verlegen mit den Schultern. »Wie auch immer, jedenfalls wollte ich, dass Sie das wissen.«
Dann schwieg Lomax und senkte den Blick. Offensichtlich waren ihm seine Worte peinlich.
In dieser Schlacht wurde er also derart entstellt, dachte Hawkwood.
Viele Soldaten waren damals im Kampf gefallen, doch an jenem Tag hatte noch ein anderer, erbarmungsloser Feind fast alles vernichtet, was sich ihm in den Weg gestellt hatte.
Das Feuer.
Vielleicht hatte der Zündfunke einer Muskete oder Kanone das verdorrte Gras in Brand gesetzt. Vom Sommerwind angefacht, hatte
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