Der Rattenfänger
das Kommando der Fregatte Audacious übernommen. Seitdem hatte er im Freiheitskrieg gegen die nordamerikanischen Kolonien gekämpft, unter Hood im Mittelmeer und unter Nelson am Kap St.Vincent und Kap Trafalgar.
»Er heißt Hawkwood.«
»Hawkwood?« Der zweite Mann am Tisch hob abrupt den Kopf.
»Sie kennen ihn, Blomefield?« Der Erste Seelord fixierte ihn streng.
Thomas Blomefield, der Generalinspekteur der Artillerie und Generalfeldzeugmeister war mit Ende sechzig der Älteste in der Runde. In vieler Hinsicht ähnelte seine Karriere der des Admirals. Nach seiner Ausbildung als Kadett in der Militärakademie Woolwich hatte auch er im amerikanischen Freiheitskrieg gekämpft und war bei Saratoga verwundet worden. Als Kommandant der Artillerie hatte er am Kopenhagen-Feldzug teilgenommen und war Spezialist für Kriegsgerät. Die Feldzeugmeisterei war zuständig für die Versorgung der Armee sowie der Marine mit Waffen und Munition. Blomefield kontrollierte nicht nur die Verteilung der Geschütze, sondern er konstruierte auch Waffen für die Standardausrüstung der Kriegsschiffe.
»Der Name kommt mir bekannt vor«, überlegte Blomefield stirnrunzelnd und sah James Read an. »Wie lange arbeitet er schon für Sie?«
Ein sechster Sinn warnte Read zwar, dass er sich in gefährlichen Gewässern bewegte, aber es war zu spät für einen Rückzieher. Außerdem würde die Wahrheit sowieso früher oder später ans Tageslicht kommen. Deshalb antwortete er: »Noch nicht lange. Etwas länger als ein Jahr.«
»Und was hat er davor gemacht?«
»Hawkwood hat beim Militär gedient.«
»Hawkwood?«, wiederholte der Generalinspekteur und richtete sich kerzengerade auf. »Beim 95. Rifle Regiment?«
Read schwieg.
»Gott verdammt!«, fluchte Blomefield.
Ein Ausdruck des Missfallens huschte über das Gesicht des Admirals, denn Dalryde war ein eifriger Kirchgänger und missbilligte Kraftausdrücke, bei denen der Name Gottes im Munde geführt wurde. Auf See hatte er sich den Ruf eines strengen Zuchtmeisters erworben, der jede Gotteslästerung mit Auspeitschen bestrafte. Es ging das Gerücht um, dass Offiziere und Matrosen, die unter ihm gedient hatten, mit großer Erleichterung auf seine Versetzung ins Marineministerium reagiert hatten.
»Würde der Generalinspekteur die Güte haben, sein Wissen mit uns zu teilen?«, zischte der Seelord.
Blomefield warf James Read einen Zustimmung heischenden Blick zu, doch der Oberste Richter ignorierte die stumme Bitte.
»Ich habe mir nur überlegt … sollte es sich tatsächlich um denselben Mann handeln, so hat er, gelinde gesagt, eine interessante Vergangenheit.«
»Klären Sie uns auf!«
Blomefield wünschte sich wohl, er hätte den Mund gehalten, denn er antwortete nur zögerlich: »Ich glaube, mich daran erinnern zu können, dass es während seines Militärdienstes einen Zwischenfall gegeben hat. Dabei ging es um einen Ehrenhandel. Er … hm … hat im Duell einen Offizier getötet.«
Während Blomefield unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutschte, wandte sich der Seelord fragend an James Read: »Stimmt das?«
Der Oberste Richter nickte. »Ja. Der Generalinspekteur hat Recht.«
»Und Sie haben von Hawkwoods Vergangenheit gewusst, ehe er für Ihre Behörde arbeitete?«
»Natürlich. Ich überprüfe alle meine Mitarbeiter mit größter Sorgfalt.«
Der Seelord starrte den Obersten Richter entgeistert an.
»Großer Gott, Mann! Ich muss noch heute Vormittag dem Premierminister und dem Innenminister Bericht erstatten. Wie, zum Teufel, soll ich ihnen begreiflich machen, dass der mit den Ermittlungen dieses Falls betraute Beamte, ein ehemaliger einfacher Soldat, einen Offizier im Duell getötet hat? Erklären Sie mir das!«
»Ein einfacher Soldat?«, widersprach Read schnell. »Hawkwood war ein ungewöhnlich guter Offizier, und ich brauche Sie wohl nicht daran zu erinnern, Mylord, dass der Ruf des Rifle Regiments ausgezeichnet ist.«
»Natürlich kenne ich deren Reputation«, entgegnete der Seelord scharf. »Und mir ist ebenfalls bekannt, dass es widersprüchliche Ansichten über die Kampfmethoden dieser Truppe gibt.«
Der Oberste Richter schürzte die Lippen. »Ich gebe zu, dass ihre Taktik eher unorthodox …«
»Unorthodox?«, schnitt Yorke ihm schnarrend das Wort ab.
»Unorthodox ist nichts als ein euphemistischer Terminus für undiszipliniert. Wie es heißt, exerzieren die Offiziere sogar gemeinsam mit ihren Rekruten!«
»Mit guten Ergebnissen«, konterte Read. »Hawkwood ist
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