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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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zwischen die Lippen und verbeugte sich knapp. Dann schloss er die Tür hinter sich.
    »Jetzt sind nur noch wir beide übrig, Euer Ehren«, unterbrach Scully Hawkwoods wirre Überlegungen und klopfte mit der Ahle auf seine Handfläche. Seine Augen waren schwarz und ausdruckslos wie Kohle.
    Dr. McGregor hat gesagt, Warlocks Kopf sei durchbohrt worden, musste Hawkwood unwillkürlich denken. Wahrscheinlich von einem Meißel. Er starrte die spitze Ahle in Scullys Pranke an. Die Tatwaffe! Warum bin ich nur nicht früher darauf gekommen?
    »Dafür wirst du hängen, Scully. Und ein Festmahl für die Krähen sein.«
    »Komisch«, sagte Scully. »Dasselbe hat auch dein Kumpel gesagt. Und was ist mit ihm passiert?«
    Hawkwood zerrte vergeblich an seinen Ketten. »Herrgott noch mal, Scully! Der Bastard arbeitet für die Franzosen!«
    »Na und?«
    »Das sind unsere Feinde, falls du das vergessen hast.«
    »Ich habe überhaupt nichts vergessen, Euer Ehren. Weder die miserable Heuer noch den miserablen Fraß. Auch nicht die verdammten Arschkriecher, die Offiziere, oder das Auspeitschen. Bist du je ausgepeitscht worden, Captain Hawkwood? Nein, wahrscheinlich nicht. Und dafür soll ich der Königlichen Marine dankbar sein? Warum glaubst du wohl, bin ich zu den Froschfressern übergelaufen?« Scully hob drohend die Ahle. »Schluss damit. Mir reicht’s! Jetzt bist du dran.«
    Ich habe nur eine Chance, dachte Hawkwood. Ich muss Scully angreifen. Er erwartet, dass ich zurückweiche, aber Angriff ist die beste Verteidigung. Er spannte seine Muskeln an, und als Scully auf ihn zutrat, packte er mit beiden Händen die Stuhllehne und sprang auf die Füße. Scully wich grunzend zurück. Hawkwood drehte sich um die eigene Achse und knallte Scully den Stuhl an die Hüfte.
    Wenn ich ihn aus dem Gleichgewicht bringe …
    Doch Scully wich seitwärts aus und trat Hawkwood gegen den Oberschenkel. Weil der Runner seinen Sturz nicht mit den Händen abfedern konnte, prallte er mit dem Ellbogen zuerst auf den Boden. Ein höllischer Schmerz zuckte durch seinen Arm. Obszön fluchend beugte sich Scully über ihn und zog jetzt ein Entermesser aus seinem Gürtel.
    »Das war ein netter Versuch, Kumpel. Aber du bist bereits tot. Du weißt es nur nicht. Zuerst schlage ich dir den Schädel ein, und dann zerhacke ich dich. Die Müllmänner bringen die Stücke flussabwärts und werfen sie zusammen mit dem anderen Dreck ins Wasser.«
    Hawkwood konnte sich nicht bewegen. Sein rechter Arm war gelähmt. Er war so wehrlos wie eine auf dem Rücken liegende Schildkröte. Er versuchte, mit beiden Füßen nach Scully zu treten, aber der Stuhl hinderte ihn daran.
    Scully lachte höhnisch. »Hast wohl gedacht, du könntest mich überrumpeln, wie?« Er jonglierte jetzt mit der Ahle.
    »Dein Kumpel war zäher, als er aussah. Ich habe ihm die Ahle in den Kopf gerammt und dachte, er wäre tot, als wir ihn ins Boot legten. Wir wollten seine Leiche flussaufwärts ins Wasser werfen. Ich habe meinen Augen nicht getraut, als er sich plötzlich über Bord gehievt hat. Wir glaubten, er sei untergegangen, weil wir ihn nicht finden konnten. Dabei hat er’s bis ans Ufer geschafft. Tapferer Kerl!«
    Noch immer lag Hawkwood hilflos am Boden. Er wartete darauf, dass Scully zustach.
    In diesem Moment flog die Tür krachend gegen die Wand.
    »AAAHLEEE!«
    Voller Entsetzen sah Hawkwood, dass Wiesel neben ihm auf die Planken prallte. Blut strömte aus einer klaffenden Wunde an seinem Hals. Der Gnom starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Ein Knebel hinderte ihn am Schreien. Dann legte sich ein Schleier über seine Augen.
    Jago rammte seine Schulter Scully mit derartiger Wucht in den Leib, dass der Halunke rücklings über den Tisch fiel. Dabei stieß die Spitze seines Entermessers an die Laterne, die vom Deckbalken hing. Sie prallte gegen das Schott, und das Glas zerbrach. Sofort ergoss sich brennendes Petroleum über die Koje und setzte Decken und Matratze in Brand.
    Schon war Jago wieder auf den Beinen. Mit der rechten Hand umklammerte er seinen schweren Holzknüppel.
    »Cap’n!«, rief er, beugte sich über Hawkwood und bemerkte die Fesseln. »O verdammt!«
    »Pass auf, Nathaniel!«, schrie Hawkwood, als Scully hinter dem Tisch auftauchte.
    Jago richtete sich sofort auf und drehte sich um. »Ich habe dich gewarnt, Scully! Wenn du ihm was antust, kriegst du es mit mir zu tun.«
    Das Entermesser in der rechten, die Ahle in der linken Hand, schnellte Scully hinter dem Tisch hervor.

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