Der Rauchsalon
er
würde auf der Stelle einziehen, es sei denn, daß ihn die Geschichte mit Quiffen
abschreckt.«
»Warum sollte sie das? Alte Leute
wissen, daß andere alte Leute sterben müssen. Wir wissen sogar, daß wir selbst
sterben müssen, bloß wir glauben es erst, wenn es tatsächlich soweit ist, und
selbst dann noch nicht immer, man braucht sich bloß dieses parapsychologische
Geschwätz anzuhören. Um was willst du wetten, daß Barney sich nicht gerade beim
heiligen Petrus beschwert? Oder, was noch besser zu ihm passen würde, daß er
nicht gerade versucht, ein bösartiges Medium zu finden, das den
Verkehrsminister verhext? Was immer auch passiert ist, ich bin sicher, er ist
selbst daran schuld gewesen. Ganz bestimmt war er dabei, die Schienen zu
inspizieren oder sonst irgend etwas, das ihn überhaupt nichts anging, und
dachte dabei nach, an wen er darüber einen groben Brief schreiben sollte. Also,
Sarah, du schließt jetzt auf der Stelle seine Schlafzimmertür ab. Laß keine
Menschenseele in das Zimmer, bis George und Barneys Anwalt da sind. Vor allem
keine Verwandten. Diese Quiffens sind alle aus dem gleichen Holz, und gutes
Holz ist das nicht, wenn du mich fragst.«
»Ach, Tante Anora, ich liebe dich!«
Sarah war in dem Sinne erzogen worden,
daß es sich nicht gehörte, sentimentale Anwandlungen zu zeigen, aber sie hatte
inzwischen die schmerzliche Erfahrung machen müssen, daß es auch nicht gut war,
seine Gefühle zu lange zu unterdrücken, bis es schließlich niemanden mehr gab,
dem man sie gestehen konnte. Vielleicht würde diese dicke, alte Frau drüben in
ihrer überheizten, mit Möbeln vollgestopften Höhle von einem Haus mit ihren
dicken, alten Dienern und ihrem dicken, alten Trunkenbold von einem Ehemann
einem verzeihen, wenn man ihr sagte, daß man sie liebte.
Jedenfalls erwiderte Mrs. Protheroe
rauh, aber herzlich: »Nun mach dir bloß keine Sorgen wegen dieser Sache, Sarah.
Ein kleiner Brandy, ein ordentliches heißes Bad und ein bißchen Ruhe, dann
sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.«
Sarah gehorchte und war später froh
darüber. Es fing gerade an, hell zu werden, als ein spitznasiger, dicklicher
Mann mittleren Alters, der niemand anders sein konnte als Barnwell Augustus
Quiffens Neffe, auf der Matte stand und fest entschlossen schien, sich das
Eigentum seines Onkels genau anzusehen, bevor die Pensionswirtin sich sämtliche
Rosinen herauspickte. Wenigstens ließ seine herablassende Miene genau auf diese
Absicht schließen, bis Charles, der sich den Tag frei genommen hatte, weil er
dachte, daß dies auch im Sinne von Mr. Hudson sei, mit einem silbernen Tablett
erschien und den Besucher mit einem hochmütigen »Ich werde der gnädigen Frau
ausrichten, daß Sie hier sind. Würden Sie mir bitte Ihre Karte geben?« in die
Schranken wies.
Da Mr. Quiffen keine Karte hatte und
beträchtlich kleiner, weniger attraktiv und nicht im entferntesten so
beeindruckend war wie Charles, befand er sich in der Position des Unterlegenen
und ließ sich widerstandslos in die Bibliothek führen.
Sarah, die diesen frühen Besuch
erwartet hatte, war schon angezogen und entsprechend vorbereitet, doch sie ließ
den Mann ein wenig zappeln und kam erst nach etwa fünf Minuten nach unten,
korrekt gekleidet in ihrem grauschwarzen Tweedkostüm, zu dem sie eine schlichte
Perlenkette trug. Da sie inzwischen von Charles einige Tricks gelernt hatte,
betrat sie den Raum mit genau der richtigen arroganten Haltung.
»Mr. Quiffen?« Sie hielt ihm matt ihre
Hand entgegen und ließ ihn gnädig Zeige- und Mittelfinger berühren. »Erlauben
Sie mir, Ihnen zu Ihrem schweren Verlust mein herzliches Beileid auszusprechen.
Es war für uns alle ein schwerer Schock.«
»An die Metropolitan Boston Transit
Authority werde ich noch einen Brief schreiben, der sich gewaschen hat, das
kann ich Ihnen sagen.« Kein Zweifel, er war ein echter Quiffen. »Würden Sie mir
jetzt bitte sein Zimmer zeigen?« fügte er beinahe im selben Atemzug hinzu.
»Ihr Onkel hatte den Salon auf der
anderen Flurseite.«
Sarah wollte noch hinzufügen, daß er
jedoch nicht hineingehen könne, doch der Mann war so schnell verschwunden und
bereits dabei, die Klinke herunterzudrücken, daß sie keine Gelegenheit dazu
hatte. Also setzte sie sich hin und wartete. Einen Augenblick später stand er
auch schon wieder vor ihr, und seine Nase zuckte genauso, wie es die Nase
seines Onkels zweifellos in einer entsprechenden Situation auch getan hätte.
»Ich kann nicht
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