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Der Rauchsalon

Der Rauchsalon

Titel: Der Rauchsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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hören Sie aber auf,
Charles! Das waren diese Quiffens auch nicht. Wollen Sie damit sagen, daß es
einer von diesen armen alten Leutchen ist, die überall im Park in den
Abfalltonnen herumwühlen?«
    »Die Person fällt durchaus in diese
Kategorie, Madam.«
    »Hat diese Person Ihnen mitgeteilt, was
sie von mir wünscht?«
    »Die Person behauptet, sie habe eine
wichtige Information für Sie.«
    »Ich kann mir zwar nicht vorstellen,
was das sein könnte, aber ich nehme an, daß ich wohl besser selbst gehe und
nachschaue. Lassen Sie die Tragetaschen in der Vorhalle, und führen Sie die
Person in die Eingangshalle. Sobald ich die Kartoffeln im Backofen habe, werde
ich herausfinden, was die Person wünscht, wahrscheinlich bloß eine milde Gabe.«
    Sarah schob schnell die Kartoffeln in
den Ofen, zog sich die Schürze aus und bereitete sich darauf vor, die
geheimnisvolle Person zu treffen. Als sie die Gestalt auf dem Rand einer der
Dielenstühle erblickte, verstand sie, warum ihr Butler, der mit dieser Frage
sonst keine Probleme hatte, verwirrt war. Der Besuch war in derartig viele und
ungewöhnliche Kleidungsstücke gehüllt, unter anderem in khakifarbene
Armeehosen, Gummistiefel, einen Matrosenkolani und einen gestrickten Kopfschutz
in der Art einer Skimütze, daß man von dem menschlichen Wesen darunter so gut
wie gar nichts erkennen konnte, das einem Anhaltspunkte über die
Geschlechtszugehörigkeit hätte geben können. Wenn dieser Mensch tatsächlich zu den
traurigen Jammergestalten gehörte, die durch die Straßen streiften und in
Hauseingängen schliefen, war sein äußerer Zustand allerdings erstaunlich gut.
Der Mantel war zwar abgetragen, aber sauber, und sämtliche Knöpfe waren
ordentlich angenäht. Die Hosen waren vor noch nicht allzulanger Zeit gebügelt
worden. Der marineblaue Kopfschutz war fachmännisch ausgebessert worden, und
zwar mit Wolle, die beinahe den richtigen Farbton hatte, und von den Stiefeln
war der Schneematsch abgewischt worden.
    »Guten Tag«, sagte sie zu dem
Kopfschutz. »Ich bin Mrs. Kelling. Man hat mir mitgeteilt, daß Sie mit mir
sprechen möchten?«
    Eine Hand in einem oft gestopften
Baumwollhandschuh zog die Strickmaske vom Mund und enthüllte ein etwas
faltiges, aber sauberes und keineswegs unattraktives Frauengesicht. »Guten Tag,
Mrs. Kelling. Ich heiße Mary Smith. Miss Mary Smith, sollte ich wohl besser
sagen. Ich habe dem Herrn eben meinen Namen nicht gesagt, weil er bestimmt
gedacht hätte, es wäre ein falscher Name, was er aber nicht ist. Mein Vater war
ein Smith und meine Mutter hieß Mary, und ich kann Ihnen meine Geburtsurkunde
zeigen, wenn Sie wollen. Ich bin älter, als mir lieb ist. Wahrscheinlich halten
Sie mich für vollkommen verrückt, hier so einfach bei Ihnen hereinzuplatzen, aber
ich muß jemanden finden, der mir zuhört. Und Sie sind die einzige, bei der ich
es noch nicht versucht habe. Ich war dabei, müssen Sie wissen. Ich habe
gesehen, wie es passiert ist.«
    »Wie was passiert ist?«
    »Der Mord.«
    »Du meine Güte!« Sarah unterdrückte einen
Seufzer. Seitdem man am Abend vor Großonkel Fredericks Beerdigung die
sterblichen Überreste einer lange verschollenen Revuetänzerin in der
Familiengruft gefunden hatte, hatten ihr alle möglichen Verrückten das Leben
schwer gemacht. Sie hatte schon gehofft, es hätte endlich aufgehört, doch
offenbar hatte sie sich geirrt. Dennoch sah Miss Smith trotz ihrer
Lumpensammlerverkleidung irgendwie nicht wie eine Verrückte aus.
    »Ja, es war das Schrecklichste, das mir
je passiert ist«, stimmte sie Sarah zu; sie nahm offenbar an, daß Sarah mit
ihrer Bemerkung ihr Mitgefühl hatte ausdrücken wollen. »Jedesmal, wenn ich
daran denke, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Ich war gerade auf dem
Heimweg mit den Sachen, die ich mir den ganzen Tag zusammengesammelt hatte.
Seit meiner Pensionierung gehe ich meinem Hobby nach, wie man so sagt, ich
sammle nämlich Altpapier und Blechbüchsen fürs Recycling. Um Glas kann ich mich
leider nicht kümmern, weil es so schwer zu tragen ist. Es hilft der Umwelt ein
wenig, sage ich mir jedenfalls immer, und ich habe etwas, womit ich mich
nützlich machen kann. Aber darüber wollte ich eigentlich jetzt nicht reden.«
    »Würden Sie bitte ablegen und mit mir
in die Bibliothek kommen?« Sarah war sich nicht ganz sicher, ob Miss Mary Smith
nun eine Irre, eine verkleidete Reporterin oder die völlig normale ältere Dame
war, als die sie sich ausgab, aber sie war fest entschlossen,

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