Der Rauchsalon
in Gedanken die kurze
Liste ihrer möglichen Helfer. Onkel Jem würde zwar wie ein Blitz zur Stelle
sein, aber in einer Situation wie dieser konnte er niemandem nutzen. Er und der
alte George würden sich in eine Ecke verziehen, sich die einzige
Whiskeyflasche, die im Hause war, zu Gemüte führen und Erinnerungen über Bären
und Bardamen austauschen, während um sie herum der Kampf tobte, der sich
bereits anzukündigen begann.
Sie konnte möglicherweise jemanden aus
dem Büro ihres eigenen Anwalts herbitten, obwohl es bestimmt schwierig sein
würde, einen der Messrs. Redfern zu überzeugen, seine Formulare beiseite zu
legen und auf der Stelle herbeizueilen. Außerdem würde sie dies einen Batzen
Geld kosten, und das konnte sie sich im Moment kaum erlauben. Also mußte Dolph
her. Ihr Cousin mochte zwar manchmal etwas schwer von Begriff sein, aber wenn
es darum ging, ordentlich zu schreien und zu poltern, würde er es jedem
lebenden Quiffen zeigen. Sarah rannte zum Telefon und schlug Alarm.
Nachdem er ihr die erwartete Predigt
darüber gehalten hatte, daß er ihr ja sofort gesagt habe, wie völlig
hirnverbrannt ihre Idee gewesen sei, und gefragt hatte, ob es denn wirklich
nötig sei, den guten Familiennamen schon wieder in die Zeitungen zu bringen,
sagte Dolph, er komme sofort, und erschien auch kurze Zeit später. Er leistete
sich sogar ein Taxi. Alles in allem erwartete George Protheroe ein ganz
ansehnliches Empfangskomitee, als er eintraf, blinzelnd wie die Haselmaus in Alice
im Wunderland, nachdem man sie aus der Teekanne gezogen hatte. Seine Frau
schob ihn förmlich vor sich her. Sarah nahm Anora beiseite, um ihr das
Hauspersonal vorzustellen, während die Männer die Sache untereinander ausfochten,
wobei Dolph lauter brüllte als alle anderen zusammen, was sie auch durchaus
erwartet hatte.
Anora und Mariposa kamen auf Anhieb gut
miteinander aus. Die drei Frauen tranken noch Tee und hielten am Küchentisch
eine strategische Konferenz über Haushaltsfragen ab, als Charles hereinkam, um
sie zu informieren, daß die Herren Gentlemen, was seinem Ton nach zu urteilen
eine reichlich übertriebene Bezeichnung für einige der Anwesenden war, obwohl
es nicht seine Sache war, darüber ein Urteil zu fällen, es inzwischen auf sich
genommen hätten, das Eigentum des verstorbenen Mr. Quiffen in dessen Zimmer
einer näheren Bestandsaufnahme zu unterziehen. Charles habe sie darauf
aufmerksam gemacht, daß einige der aufgeführten Gegenstände in Wirklichkeit
Mrs. Kelling gehörten, und Mr. Adolphus Kelling habe daraufhin diese
Gegenstände persönlich von der Liste gestrichen.
Aus Mr. Quiffens Unterlagen gehe
hervor, daß sein Testament sich entweder in den Händen von Mr. Snodgrass, Mr.
Winkle, Mr. Tupper oder Ms. Pickwick aus der gleichnamigen Firma in der
Devonshire Street befand, und die Gentlemen seien willens, dorthin zu eilen.
Mr. Protheroe sei darauf bedacht, den momentanen Aufenthaltsort seiner Gattin
festzustellen, da er annehme, sie wolle ihn begleiten, und welche Nachricht
sollte Charles ihm übermitteln?
»Mein Gott«, sagte Anora, »spricht der
immer so?«
»Natürlich nicht, das glauben Sie doch
wohl selbst nicht«, kicherte Mariposa.
Anora sagte, in ihrem Alter wisse man,
daß nichts unmöglich sei, gab allen ihren Segen und watschelte ihrem Gatten
hinterher. Sarah lief nach oben und putzte ein weiteres Badezimmer. Und jetzt,
so Gott wollte, würde es hoffentlich etwas ruhiger zugehen.
Kapitel
5
S arah säuberte gerade Kartoffeln für das
Abendessen und fragte sich, wie lange sie wohl anstandshalber warten mußte, bis
sie Mr. Hartler mitteilen konnte, daß sie ein Zimmer für ihn hatte, als Charles
zu ihr in die Küche kam.
»Eine Person wünscht Sie zu sprechen,
Madam«, teilte er ihr mit.
»Eine Person?« Sarah legte die
Kartoffel fort, die sie gerade gewaschen hatte, und trocknete sich die Hände an
einem Küchenhandtuch ab. »Was meinen Sie mit Person? Mann oder Frau?«
»Das kann ich leider nicht so genau
sagen, Madam. Die Person trägt diverse verhüllende Kleidungsstücke und außerdem
zwei unansehnliche Tragetaschen mit Abfall.«
»Wozu denn das?«
»Ich habe keine Ahnung, Madam. Ich habe
die Person angehalten, in der Vorhalle zu warten, während ich in Erfahrung
bringe, ob Sie zu Hause sind oder nicht.«
»Warum nicht in der Eingangshalle oder
in der Bibliothek?«
»Es scheint keine Person zu sein, die
man gern ins Haus läßt, Madam.«
»Ach, jetzt
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