Der Rauchsalon
Smith ist eine sehr nette Frau. Ich wünschte, ich könnte sie ein bißchen
besser kennenlernen. Meinen Sie, es wäre gefährlich, ihr kurz zuzunicken und
sie anzulächeln, wenn wir uns zufällig treffen?«
»Sie können sogar stehenbleiben und ihr
eine Münze zustecken, denke ich.«
Sarah errötete. »Sie meinen, die
gnädige Frau läßt sich herab, der armen Bettlerin etwas zuzustecken? Das habe
ich nicht gemeint.«
»Das weiß ich doch«, sagte Bittersohn,
»aber es ist immerhin eine Möglichkeit, unauffällig mit ihr in Kontakt zu
treten, nicht? Wenn jemand sieht, wie Sie in Ihrem Portemonnaie nach einer
Münze suchen, um sie dieser armen Frau zu geben, nimmt man an, daß es sich um
einen impulsiven Akt der Mildtätigkeit handelt. Wenn Sie stehenbleiben und ihr guten
Tag sagen, sind Sie einfach nur freundlich. Außerdem kann die alte Dame den
Zaster ganz gut brauchen.«
»Die junge auch. Miss Smith und ich
haben mehr gemeinsam, als es den Anschein hat. Aber sie hat tatsächlich gesagt,
daß die Leute ihr Geld anbieten und daß sie es immer annimmt, so daß es mir
wirklich das Beste erscheint. Wie sieht denn der Zeitplan für morgen aus?«
»Boston Common. Das macht es ziemlich
einfach. Halten Sie gegen elf Uhr an der Informationsstelle nach ihr Ausschau.«
»Wunderbar, ich werde sofort Dolph
anrufen. Vielen Dank, Mr. Bittersohn.«
»Wofür denn?«
»Das weiß ich momentan auch nicht so
genau. Trotzdem vielen Dank.«
Kapitel 10
D olph war tatsächlich zu Hause und nicht
abgeneigt, sich von Sarah zu einer geschäftlichen Besprechung überreden zu
lassen, die sie sich inzwischen ausgedacht hatte, auch wenn er vorher
umständlich seinen Terminkalender durchging und mit sich selbst diskutierte, ob
er möglicherweise eine seiner lebenswichtigen Verabredungen um eine halbe
Stunde verschieben könnte.
»Wie lange soll es denn dauern, Sarah?«
»Nur ein paar Minuten, denke ich.«
Das war die reine Wahrheit, da sie
lediglich der Sekretärin ein ausgefülltes Formular überreichen wollte, das sie
genausogut mit der Post schicken konnte und das sowieso erst in sechs Wochen
fällig war.
»Ich würde mich sehr viel wohler
fühlen, wenn du dabeiwärst«, fügte sie hinzu. »Für den Fall, daß es
irgendwelche Fragen gibt.« Etwa: »Glauben Sie, daß es an Weihnachten schneien
wird?« oder ähnliche brandaktuelle Probleme.
Pünktlich auf die Minute erschien Dolph
im Haus in der Tulip Street, trug wie erwartet seinen dunkelbraunen Mantel und
die schönen braunen Lederhandschuhe, die Tante Emma ihm gekauft hatte, und
einen piekfeinen Homburg, den Onkel Fred 1928 während des Wahlkampfes für
Hoover mit großem Bedauern ausrangiert hatte, weil er ihn zu sehr an den
braunen Derby von Al Smith erinnert hatte und somit ein Symbol der Demokraten
war. Er hatte ihn aber wohlweislich sorgsam für eine Zeit aufgehoben, in der
man ihn möglicherweise wieder brauchen konnte. Schon der Hut wäre Miss Smith
sicherlich aufgefallen.
Als sie die Plaza auf der Höhe des
Springbrunnens überquerten, den man jetzt während des Winters abgeschaltet
hatte, erblickte Sarah Miss Smith, die gerade dabei war, sorgfältig die
Abfallbehälter zu durchsuchen. Während Dolph sich umdrehte, um einem Kind auf
einem Skateboard Drohungen nachzuschicken, gelang es Sarah, ihr einen
Vierteldollar zuzustecken und ihr kurz zuzunicken. Miss Smith sagte: »Vielen
Dank, Miss. Nochmals besten Dank« und stopfte weiter Zeitungspapier in ihre
Tragetaschen.
Mit keinem Wimpernzucken hatte sie
verraten, ob sie Sarah oder Dolph je zuvor gesehen hatte. Mr. Bittersohn mußte
sie sehr gut instruiert haben, oder Miss Smith mußte eine äußerst kluge Frau
sein. Hoffentlich stieß ihr nicht irgend etwas Schreckliches zu!
Dolph fuhr mit seiner Schmährede über
die Frechheit von Skateboardfahrern fort, bis sie zu Mr. Redferns Büro kamen,
und hielt dann Miss Tremblay, der leidgeprüften Sekretärin des Rechtsanwalts, eine
völlig unnötige Predigt über das harmlose Formular, das sie mitgebracht hatten.
Erst als sie das Gebäude wieder verlassen hatten und dabei waren, wieder
getrennte Wege zu gehen, gelang es Sarah, Dolph die Frage zu stellen, die sie
ihrem Cousin eigentlich die ganze Zeit hatte stellen wollen, seit sie sich
getroffen hatten.
»Ich wollte dich übrigens noch etwas
fragen, Dolph. Warst du eigentlich an dem Abend, als Mr. Quiffen den Unfall
hatte, auch in der Haymarket-Station?«
»Wie zum Teufel soll ich mich denn
jetzt
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