Der Rauchsalon
wenn sie mit den
Erwachsenen dort zu Besuch war. Die Köchin hatte ihr das Rezept vor Jahren
beigebracht. Diese köstliche, aber preiswerte Nachspeise, die so ähnlich wie
Plumpudding war, nur sehr viel leichter verdaulich, wurde bei Anoras
Dinnerpartys immer gefeiert. Sarah hatte sie ein paar Mal für ihren Vater
gemacht, jedesmal mit großem Erfolg. Hier in diesem Haus hatte sie es nur
einmal versucht, aber Tante Caroline hatte »viel zu stark gewürzt« gezischt und
verächtlich Kuchengabel und Löffel hingelegt.
Vielleicht waren ihre Pensionsgäste
weniger kritisch. Jedenfalls konnte sie auf diese Weise alle Karotten verwenden
und hatte eine gute Entschuldigung, um die alte Puddingform herauszuholen, die
seit dem Tod von Onkel Gilbert und der darauffolgenden Entlassung der Köchin
fast nur noch auf dem obersten Regal in der Speisekammer geruht hatte. Edith
hatte das Kochen Sarah aufgehalst, indem sie auf das praktischste Mittel zurückgegriffen
hatte, das es gab, nämlich einfach nur Ungenießbares zuzubereiten. Die junge
Ehefrau hatte das Kochen während ihrer schwierigen Ehezeit häufig als
wirkungsvolle Therapie empfunden. Jetzt, nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes,
griff sie noch eifriger nach Töpfen und Pfannen.
Nachdem sie den Pudding zubereitet und
in ein Dampfbad gestellt hatte, waren noch immer so viele gehackte Karotten
übrig, daß sie auf die Suche nach einem Rezept für Karottenbrot ging, das
gebacken und solange eingefroren werden konnte, bis man es brauchte. Ihr treuer
Untergebener Mr. Lomax hatte ihr spottbillig eine Tiefkühltruhe besorgt, die er
von Leuten bekommen hatte, die weggezogen waren. Um die restliche Ofenhitze zu
nutzen, machte sie noch schnell ein paar süße Brötchen für das Frühstück und
eine Früchtepastete aus den Äpfeln, die sie und Mr. Lomax gerettet hatten. Die
Pastete würde sie heute abend servieren, den Pudding morgen, beschloß sie. Die
Köchin hatte immer gesagt, er schmecke am besten, wenn man ihn einen Tag stehen
ließe.
Alles in allem verbrachte Sarah einen
weitaus produktiveren Nachmittag, als sie eigentlich beabsichtigt hatte, vergaß
vor lauter Besorgnis um den Pudding Mr. Quiffen und war gerade dabei, höchst
erleichtert ihre erfolgreiche Kreation aus der Form zu lösen, als Max
Bittersohn die Küche betrat.
»Meine Güte! Feiern wir heute irgend
etwas? Machen Sie das etwa jeden Tag?«
»Nein, ich wollte nur zur Abwechslung
ein wenig im voraus backen. Der Pudding ist für morgen, aber Sie können gern
ein Brötchen probieren, wenn Sie mögen.«
»Sie meinen wohl ein Bötchen. So nennt
meine Mutter sie jedenfalls. Gelegentlich macht sie eine ganze Ladung davon, um
die Qualen der Monogamie zu lindern.«
»Und hilft es?«
»Wer weiß. Meine Mutter erweitert ihr
Englisch permanent.«
»Sie scheint eine sehr nette Frau zu
sein. Warum laden Sie sie und Ihren Vater nicht einmal hierher zum Essen ein?«
»Sie gehen fast nie aus.«
Natürlich, wahrscheinlich legten sie
viel Wert auf ein koscheres Haus. Sarah gab sich im Geist einen Tritt. Nun ja,
vielleicht war es sowieso grundfalsch, sie einzuladen. Schließlich sollte man
mit seinen Pensionsgästen nicht unbedingt auf Familienfuß stehen, nicht wahr?
Aber Mr. Bittersohn fiel ja auch nicht unbedingt in dieselbe Kategorie wie die
anderen Pensionsgäste, oder? Vielleicht sollte man diesen Umstand besser
ändern. Auf jeden Fall sollte sie sich jetzt wieder den wirklich dringlichen
Dingen zuwenden.
»Hatten Sie Gelegenheit, mit Miss Smith
zu reden?«
»Ja.«
»Und was hat sie über Dolph gesagt?«
Bittersohn zuckte mit den Schultern.
»Sie war sich fast sicher, ihn schon einmal gesehen zu haben, aber sie konnte
nicht genau sagen, wann und wo. Vielleicht war es an dem besagten Tag,
vielleicht aber auch nicht. Vielleicht war es an der Haymarket-Station, vielleicht
auch nicht. Er kam ihr zu groß vor, aber vielleicht hatte er sich an dem Abend
nach vorn gebeugt. Der Mantel hat vielleicht die richtige Farbe, aber das war
bei der Beleuchtung schwer zu erkennen gewesen. Die Handschuhe stimmten, aber
sie war sich nicht sicher, ob die Hände nicht doch größer oder kleiner waren.
Alles in allem könnte man es ein zaghaftes ›Vielleicht‹ nennen. Haben Sie
irgend etwas von Ihrem Cousin erfahren?«
»Ich habe total versagt. Erstens konnte
ich ihn nie unterbrechen, erst ganz zum Schluß habe ich es geschafft. Als ich
dann meine kleine Rede gehalten habe, hat Dolph ein wenig geschimpft und über
den Kundendienst
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