Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rauchsalon

Der Rauchsalon

Titel: Der Rauchsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
Damentoilette zueilte.
    Wie merkwürdig. Andererseits war Mrs. Sorpende
eine Dame mittleren Alters, die gerade drei Tassen Kaffee zum Frühstück
getrunken hatte. Aber sie hatte doch eben erst das Haus verlassen. Sarah hatte
sie gehen hören, als sie noch nach ihren Handschuhen und dem Portemonnaie
suchte. Ob Mrs. Sorpende vielleicht plötzlich Bauchkrämpfe oder so etwas
bekommen hatte? Wie mußte sich eine Pensionswirtin in einem derartigen Fall
verhalten?
    Sie konnte ihr ja schlecht dorthin
folgen und eine derart würdige Person in einer wahrscheinlich recht unwürdigen
Situation überraschen. Andererseits wäre es auch nicht angebracht, einfach
vorbeizugehen und sie in einer Notsituation allein zu lassen. Vielleicht tat
sie am besten daran, sich in einem angemessenen Sicherheitsabstand irgendwo
hinzustellen und abzuwarten, wie Mrs. Sorpende aussehen würde, wenn sie wieder
herauskam. Sarah plazierte sich hinter einen günstig stehenden Baum, eine Ulmus
procera (im Boston Common hatte man die Bäume mit gelehrten Namensplaketten
versehen), und legte sich auf die Lauer.
     
     

Kapitel
12
     
     
     
     
     
     
     
    A ber Mrs. Sorpende kam nicht wieder
heraus. Ein oder zwei andere Personen kamen heraus. Sarah sah ein Mädchen von
etwa 14 Jahren, das eigentlich um diese Zeit in der Schule zu sein hatte, aus
dem Gebäude herausschlendern, in mehr als hautengen Jeans, einer wuscheligen
Jacke aus Kunstpelz, die so kurz war, daß sich das arme Ding sicher schwere
Nierenschäden zuziehen würde, und hinten offenen Schuhen mit extrem hohen
Absätzen, auf denen es völlig ungeübt herumbalancierte. Dabei paffte das
Mädchen höchst dilettantisch eine Zigarette. Sarah stiegen vor Mitleid fast die
Tränen in die Augen.
    Auch eine in Tweed gehüllte Frau mit
zwei Afghanen kreuzte auf, befestigte die beiden Hundeleinen am Türknauf und
stattete der Damentoilette einen kurzen Besuch ab. Direkt hinter ihr erblickte
Sarah schließlich einen schwarzen Mantel und atmete erleichtert auf, denn sie
hatte inzwischen eiskalte Füße. Doch der Mantel gehörte zu einer gebeugten
alten Dame, die einen schäbigen Schal um den Kopf gebunden hatte und ein Paar
kaputte rote Turnschuhe anhatte. Sie trug eine große Plastiktragetasche für
milde Gaben, die bestimmt noch von einem längst vergangenen Halloweenfest
stammte. Eine andere Einzelkämpferin in Sachen Ökologie, daran bestand kein
Zweifel.
    Immer noch keine Spur von Mrs.
Sorpende. Inzwischen glaubte Sarah, allen Grund zur Sorge zu haben. Auch wenn
es peinlich war, sie mußte jetzt hineingehen und nachsehen.
    Das Gebäude war erstaunlich sauber und
völlig leer.
    »Manchmal bist du doch einfach zu
blöd«, sagte sie laut zu sich selbst.
    Hatte sie Mrs. Sorpende denn wirklich
hier hereingehen sehen? Ganz bestimmt hatte sie das, schließlich war sie doch
nicht blind. War die Frau etwa durch einen anderen Ausgang verschwunden? Nein,
es gab keinen. Dann mußte Mrs. Sorpende herausgekommen sein und irgendwie in
die andere Richtung verschwunden sein, während Sarahs Aufmerksamkeit
kurzfristig von diesem albernen kleinen Mädchen in dem Pelzjäckchen oder der
alten Dame, die Miss Smith hätte sein können, es aber nicht war, in Anspruch
genommen worden war. Hoffentlich hatte ihre Mieterin nicht bemerkt, wie
idiotisch sich die junge Mrs. Kelling hinter der Ulme benommen hatte.
    Ziemlich verärgert ging Sarah ihren
eigentlichen Aufgaben wieder nach. Es war einer dieser Tage, an denen auch
einfach gar nichts klappen wollte. Im Musikgeschäft mußte sie endlos lange
warten, bis irgendeine merkwürdige Verwechslung bei Tante Emmas Bestellung der
Auszüge von Cosi fan tutte endlich aufgeklärt worden war. Wie es einem
so oft passiert, stellte sie sich in der Bank genau in die falsche Schlange,
und nachdem sie eine ganze Zeit erst auf dem einen und dann auf dem anderen Fuß
gestanden hatte, stellte sie fest, daß sie sich mit einem Kassierer in der
Ausbildung abquälen mußte, der nicht die geringste Ahnung hatte, wie man die
komplizierte Aufgabe löste, fünf Mietschecks und eine Auszahlung aus dem
Erbteil zu bewältigen und Sarah den kleinen Betrag auszuhändigen, den sie für
Notfälle vorgesehen hatte.
    Dem Geschäft, in dem sie normalerweise
ihre Sahne kaufte, war leider aus mysteriösen Gründen gerade die Sahne
ausgegangen, und so mußte sie woanders hingehen und sehr viel mehr bezahlen. Am
Ende kam sie viel später zu Hause an, als sie vorgesehen hatte, und ihre
Stimmung wurde auch nicht

Weitere Kostenlose Bücher