Der Rauchsalon
besser, als sie feststellte, daß sie den
Hausschlüssel vergessen hatte. Sie tastete nach der Klingel, verlor dabei die
Kontrolle über Tante Emmas Paket, und Mozart verteilte sich großräumig auf dem
Boden. Endlich kam Mariposa aus der zweiten Etage herunter, wo sie gerade die
Schlafzimmer saubergemacht hatte, und ließ sie herein.
»Ich dachte, Sie wollten die
Eingangshalle putzen«, begrüßte Sarah sie unfreundlich.
»Habe ich doch«, protestierte Mariposa.
»Geputzt, staubgewischt, staubgesaugt, sofort, nachdem Sie gegangen waren.«
»Dann hat sie jemand sehr schnell
wieder schmutzig gemacht. So darf es auf keinen Fall weitergehen. Wissen Sie,
ob Mr. Hartler in seinem Zimmer ist?«
»Er ist da, aber er hat Besuch.«
»Zweifellos jemanden mit schmutzigen
Schuhen, würde ich sagen. Halten Sie hier bitte Wache, und sagen Sie mir sofort
Bescheid, wenn er wieder allein ist. Ich gehe erst einmal in die Küche.«
Doch bis zur Küche kam sie gar nicht
erst. Als sie den langen Korridor entlangging, der am Eßzimmer vorbeiführte,
schaute sie zufällig in das Zimmer. Eine Frau, die sie niemals zuvor gesehen
hatte, öffnete gerade völlig selbstverständlich den Schrank, in dem sich das
Porzellan befand, und nahm sich eine von Urgroßmutter Kellings Coalport-Vasen
heraus.
Der ganze Groll, der sich während des
Tages in Sarah angesammelt hatte, und die ganze Wut, die man sie so sorgfältig
zu unterdrücken gelehrt hatte, entluden sich mit einem Mal. Sie ging mit einer
Heftigkeit auf die Frau los, die sie selbst überraschte, und riß ihr die Vase
aus der Hand.
»Wie können Sie es wagen!«
Die Frau schien nicht im geringsten
eingeschüchtert zu sein. »Was regen Sie sich so auf? Hören Sie, ich bin nicht
hergekommen, um mich beleidigen zu lassen. Die Vase ist nicht schlecht.
Natürlich nur eine Reproduktion, aber wirklich nicht schlecht. Was halten Sie
davon, wenn ich Ihnen 50 Dollar für das Paar bezahle? Was sagen Sie dazu?«
Sarah sagte nur »Mariposa!«, aber sie
sagte es mit überschlagender Stimme.
Das Hausmädchen eilte sofort herbei.
»Was ist denn los — Madam?« fügte sie hastig hinzu, als sie die fremde Person
sah.
»Gehen Sie, und legen Sie den Riegel
vor«, ordnete Sarah an. »Und dann kommen Sie sofort zurück, und helfen mir, das
Silber zu zählen.«
»He, so einfach geht das nicht«,
kreischte die fremde Frau. »Sie haben kein Recht, mich hier gegen meinen Willen
festzuhalten!«
»Ach nein?« Sarah hatte sich inzwischen
wieder gefangen. »Jedenfalls haben Sie das Haus immerhin gegen meinen Willen
betreten. Wie sind Sie überhaupt hereingekommen?«
»Er hat mir natürlich aufgemacht. Ihr
Chef.«
»Mein was?«
Mr. Hartler hatte offenbar den Tumult
mitbekommen, denn er tauchte plötzlich im Eßzimmer auf, wie immer über das
ganze Gesicht strahlend. Seine wütende Pensionswirtin ging zum Angriff über.
»Mr. Hartler, können Sie mir bitte
erklären, wieso ich diese — diese Person dabei erwischt habe, wie sie den
Schrank mit meinem Porzellan durchwühlt? Sie hat gerade behauptet, Sie hätten
ihr aufgemacht. Stimmt das?«
»Nun ja, ich glaube, das habe ich wohl
wirklich getan, wenn sie das sagt«, erwiderte er. »Ja, jetzt erinnere ich mich
wieder, wie ich zur Tür ging. Aber wissen Sie, es war gerade Besuch da, deshalb
habe ich — Ich bin so aufgeregt, wissen Sie. Dieser Herr, den ich gerade in
meinem Zimmer habe — «
»Mr. Hartler, es interessiert mich
nicht, weswegen Sie aufgeregt sind. Ich verlange nur zu wissen, wie Sie dazu
kommen, aus meinem Haus einen Schweinestall zu machen, und wieso wildfremde
Leute sich hier zu schaffen machen, die hier nichts zu suchen haben.«
»Einen Moment mal«, unterbrach sie die
Fremde. »Wem gehört denn nun eigentlich dieses Haus? Ist diese Frau nicht ganz
richtig im Kopf, oder was?«
Sarah war schneller als Mr. Hartler.
»Ich bin Mrs. Alexander Kelling. Sie befinden sich in meinem Haus, und Mr.
Hartler ist mein Pensionsgast. Ich habe ihm erlaubt, hier seine — «
»Ja, ja«, blubberte der alte Herr,
»Mrs. Kelling war so freundlich, wirklich sehr freundlich. Ich fürchte, sie
hält mich für einen schrecklichen alten Störenfried. Also, Mrs. — tut mir leid,
aber ich glaube, ich habe Ihren Namen nicht ganz verstanden vielleicht wäre es
besser, wenn Sie zu einem anderen Zeitpunkt zurückkämen, wenn wir nicht so — äh
— beschäftigt sind.«
»Mir wäre lieber, wenn sie überhaupt
nicht wiederkäme«, sagte Sarah kühl. »Sie hat mir
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