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Der Rauchsalon

Der Rauchsalon

Titel: Der Rauchsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Kaffee in der Kaffeemaschine und etwas zu essen auf der
Anrichte. Mrs. Sorpende müßte auch jeden Moment kommen.«
    »Wirklich?«
    »Regen Sie mich bloß nicht auf!« Sarah
nahm das Tablett und ging. Sie wußte, daß er sie gar nicht aufregen wollte,
aber an irgendeinem Menschen mußte sie ihre depressive Stimmung auslassen. Wie
merkwürdig, daß ausgerechnet er das Opfer war.
    Miss Hartler lag jedenfalls nicht mehr
auf dem Bett. Sie hatte offenbar das Badezimmer aufgesucht und sich frisch
gemacht. Obwohl ihre Augen immer noch ziemlich rot waren, war sie selbst doch
etwas gefaßter. Sie setzte sich an den Schreibtisch und schob ein paar Stapel
beiseite.
    »Sie sind ein Schatz, Sarah! Aber ich
glaube wirklich, daß ich-«
    »Miss Hartler, Sie müssen jetzt stark
sein. Ihr Bruder hätte das auch gewollt.« Sarah kramte alle Klischees hervor,
mit denen man sie während ihrer eigenen Trauerzeit reichlich bedacht hatte und
die ihr jetzt in den Sinn kamen. »Er war ein so heiterer Mensch. Wir müssen
versuchen, ihn so im Gedächtnis zu bewahren, wie wir ihn kannten.«
    »Ach, aber keiner kannte Wumps so wie
ich.«
    Miss Hartler goß sich den Tee etwa
zweieinhalb Zentimeter hoch in die Tasse und fügte eine riesige Menge Milch
hinzu. Sie starrte auf die Plätzchen, die Sarah auf das Tablett gelegt hatte,
nahm sich langsam eines davon und knabberte schüchtern daran. »Wir waren uns
immer so nah, wissen Sie, so schrecklich nah. Was natürlich nicht heißt, daß
wir uns keine Freiheit mehr ließen. Ich hatte meine Arbeit für die Kirche, und
Wumps hatte seine eigenen Passionen.«
    »Den Iolani-Palast«, sagte Sarah.
    »Ach ja, der berühmte Iolani-Palast!
Wumps war ein Fanatiker, wissen Sie, Sarah, ein echter Fanatiker. Wie ich sehe,
hat er wieder fleißig gesammelt.« Sie zeigte mit dem Plätzchen auf die
Nippsachen, die jedes freie Fleckchen im Zimmer bedeckten.
    »Ich weiß eigentlich nicht genau,
wieviel zu seiner Sammlung gehört«, erwiderte Sarah. »Er hat mir erzählt, daß
die meisten Sachen hier sich als unecht herausgestellt haben und daher wieder
zurückgegeben werden müssen. Ständig sind Leute hier ein- und ausgegangen — «
    »Mir brauchen Sie das gar nicht zu sagen!
Habe ich alles auch mitgemacht. Trampeln auf den Teppichen herum und tropfen
mit ihren nassen Regenschirmen den Boden voll. Und der Grund, warum Wumps
wieder hierher ziehen wollte, war, weil wir immer noch nicht genug davon
hatten! Er dachte, in Boston seien die Jagdgründe noch besser! Ich muß Ihnen
gestehen, liebe Sarah, daß ich beim bloßen Gedanken daran regelrecht  g e z i t
t e r t  habe, genau deswegen habe ich auch auf der Stelle meine Koffer gepackt
und bin geflohen, als ich diese Einladung von meiner alten Schulfreundin bekam,
sie in Rom zu besuchen. Aber Dorothea hat sich so verändert. So zum Nachteil,
ich kann es kaum glauben. Aber ich bin wahrscheinlich auch nicht mehr wie
früher. Ja, ja, die Zeit vergeht!«
    Miss Hartler versuchte vergeblich, ein
tapferes Gesicht aufzusetzen, und griff wieder nach ihrer Teetasse. »Sarah, ich
habe versucht, darüber nachzudenken, was ich jetzt tun soll, und es scheint am
vernünftigsten — ich versuche so sehr, jetzt vernünftig zu sein, verstehen Sie.
Wumps war immer der Stärkere von uns, aber jetzt kann ich mich nicht mehr bei
ihm anlehnen, also muß ich versuchen, so gut wie möglich allein fertig zu
werden. Ich dachte, daß ich vielleicht die ersten paar Tage hier bei Ihnen
bleiben könnte, wenn es Ihnen nicht zuviel ausmacht, bis das schreckliche,
schreckliche Begräbnis vorbei ist — unsere Gruft ist in Mount Auburn, wissen
Sie, wie Ihre — vielleicht wissen Sie, was man in so einem Fall tun muß — ich
habe das bisher nie — als unsere lieben Eltern-«
    Sie wischte sich die Augen und trank
einen winzigen Schluck von ihrem inzwischen abgekühlten Tee. »So könnte ich
mich wenigstens wieder ein bißchen fangen und die Sachen hier ordnen, die Wumps
hinterlassen hat. Liebe Sarah, es macht Ihnen doch nichts aus, oder? Ich habe
sonst keinen Menschen mehr auf der Welt! Könnten Sie Ihrem Angestellten sagen,
daß er meine Koffer-«
    »Er ist — im Moment nicht hier«,
antwortete Sarah, völlig überrascht von dieser neuen Entwicklung.
    Natürlich war es vernünftig, daß Miss
Hartler das Zimmer ihres Bruders benutzen wollte, seine Miete war bis zum Ende
der Woche bezahlt, und sie hatte momentan kein Zuhause, sie konnte höchstens in
einem Hotel oder beim Verein Christlicher Junger

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