Der Rauchsalon
hatte Dolph gezwungen mitzukommen, und er
hatte den ganzen Heimweg damit verbracht, sich lautstark darüber auszulassen,
wer nun der größte verdammte Idiot war, dieser blubbernde Hampelmann Hartler
oder seine verdammte, Preiselbeersaft schlürfende idiotische Schwester.
Das mußte schon sechs Jahre oder noch
länger zurückliegen. Sarah konnte sich nicht erinnern, was Dolph an den
Hartlers so aufgeregt hatte, aber sie wußte aus Erfahrung, daß bei Dolph bereits
Kleinigkeiten genügten. Außerdem waren die Hartlers dick mit Tante Marguerite
befreundet und hatten daher bestimmt irgendwann die Protheroes getroffen und
höchstwahrscheinlich auch Georges alten Kumpan Barnwell Quiffen wenigstens
flüchtig gekannt.
Mal angenommen, Dolph wäre in der
letzten Nacht auf Mr. Hartler gestoßen, als er gerade auch herumwanderte. Wenn
man bedachte, in welchen Kreisen sie verkehrten, war dies keineswegs
unwahrscheinlich. Der Mann, dem König Kalakauas Stühle gehörten — angenommen,
daß sie wirklich echt waren — , hätte ja durchaus einer aus der alten Garde und
ein Freund von Dolph sein können. Oder vielleicht hatten beide die Idee gehabt,
für einen kleinen Schlummertrunk im Harvard Club oder im Ritz einzukehren. Der
Club war in der Commonwealth Avenue, nur ein paar Häuserblocks entfernt von der
Stelle, an der man die Leiche gefunden hatte, und das Hotel lag an der Ecke
Arlington und Newbury, unmittelbar gegenüber vom Public Garden.
Was immer er auch von den Hartlers
gehalten hatte, Dolph würde niemals einen Menschen, den er im Haus eines
Familienmitgliedes getroffen hatte, vor den Kopf stoßen, vor allem nicht dann,
wenn derjenige anbot, ihm einen Drink zu bezahlen. Aber einmal angenommen, er
hatte etwas, was der alte Mann sagte, mißverstanden. Das war durchaus möglich.
Mr. Hartler sprach so schnell und war so sprunghaft, daß man ihm oft nur schwer
folgen konnte, und Dolph verfügte nicht gerade über das schnellste
Auffassungsvermögen von Boston. Was war, wenn Dolph zu dem Schluß gekommen war,
daß Mr. Hartler dadurch, daß er Mr. Quiffens Zimmer übernommen hatte, in den
Besitz von etwas gekommen war, was der Privatdetektiv entdeckt hatte? Und wenn
er nun zu dem Schluß gekommen war, daß Mr. Hartler derjenige war, dem Mr.
Quiffen mit letzter Kraft die brennende Fackel zugeworfen hatte?
Ja, was wäre, wenn all das stimmte?
Sarah konnte sich vorstellen, wie Dolph die ganze Bude zusammenbrüllte und wie
sie vielleicht beide hinausgeworfen wurden. Sie konnte sich allerdings nicht
vorstellen, wie er absichtlich das Gesicht eines Mannes, der viel älter und
kleiner war als er selbst, zu Brei schlug. Oder doch?
Wenn Dolph Barnwell Quiffen absichtlich
unter die einfahrende U-Bahn geschubst hatte, dann war er ein wahnsinniger
Mörder, und man konnte nicht wissen, zu was er sonst noch fähig war. Aber das
war sicher alles dummes Zeug. Dolph hätte bestimmt keinen Raub vorgetäuscht,
schon weil ihm diese Möglichkeit nicht so schnell eingefallen wäre.
Aber er hätte sich rasch aus dem Staub
machen können. Der U-Bahn-Eingang an der Arlington Street war ganz in der Nähe
der Stelle, wo man die Leiche gefunden hatte, und wer konnte beweisen, daß
nicht doch mehr als nur eine Person an dem Verbrechen beteiligt gewesen war?
Angenommen, nach dem Mord war einer dieser Drogenabhängigen oder Perversen, die
Professor Ormsby so eindrucksvoll ins Spiel gebracht hatte, vorbeigekommen und
hatte die Gelegenheit genutzt, einen wohlhabend aussehenden Leichnam
auszurauben, und Mr. Hartlers Gesicht nur so zum Spaß eingetreten. Es wurde einem
schon schlecht, wenn man nur daran dachte, aber so etwas gab es nun einmal im
Leben.
Sarah glaubte nicht, daß sie noch
länger dasitzen und Zusehen konnte, wie Professor Ormsby seinen Toast in das
Eigelb tunkte. Sie bemühte sich gerade, eine plausible Erklärung zu finden, um
möglichst schnell verschwinden zu können, als Mariposa ihr den triftigsten
Grund anbot, den es überhaupt geben konnte.
»Mrs. Kelling, sie ist da!«
Sarah blinzelte. »Wer ist da?«
»Sie sagt, daß sie Mr. Hartlers
Schwester ist, und sie möchte wissen, ob ihr Bruder schon auf ist.«
»Bringen Sie sie in die Bibliothek.
Bitte entschuldigen Sie mich«, wandte sie sich an ihre Pensionsgäste.
Sarah erinnerte sich sofort wieder an
Miss Hartler, als sie sie sah. Soweit sie sich erinnern konnte, trug sie
haargenau dieselbe Kleidung, die sie auch vor ungefähr vier Jahren bei Tante
Marguerite getragen hatte, eine
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