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Der Rauchsalon

Der Rauchsalon

Titel: Der Rauchsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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ich sonst noch tun könnte. Sie sieht so zerbrechlich aus, und
sie nimmt es sich so schrecklich zu Herzen, wie ich auch erwartet habe.
Eigentlich sollten wir einen Arzt holen, aber wer würde denn schon deswegen
kommen.«
    »Gehen Sie ruhig wieder zurück und
machen sich einen schönen heißen Kaffee, Herzchen. Sie wird schon darüber
hinwegkommen. Für alte Menschen ist der Tod nicht so schrecklich wie für junge
Menschen. Das sagt jedenfalls meine Großmutter, und die müßte es eigentlich
inzwischen wissen. Na, kommen Sie schon, Herzchen, Sie müssen jetzt erst mal an
sich selbst denken, sonst können Sie bald auch keinem anderen mehr helfen.«
    »Weiß ich ja. Gott sei Dank schaffen
Sie es ja wenigstens, hier in all dem Chaos noch einen klaren Kopf zu
behalten.«
    Sarah umarmte Mariposa und gab ihr
einen Kuß, was Mr. Porter-Smith, der gerade in dem korrekten Aufzug eines
Hilfsbuchhalters aus dem Eßzimmer trat und schnurstracks auf die Aktentasche
mit Goldinitialen zuging, die er demonstrativ mitten in der Eingangshalle
abgestellt hatte, zutiefst verstörte.
    Inzwischen hatte Professor Ormsby damit
aufgehört, heißhungrig Eier in sich hineinzustopfen, und war zu seinen
Studenten geeilt. Miss LaValliere saß immer noch am Tisch, knabberte an einem
Stück Toast und murmelte in ein Buch, das sie zweifellos am Vorabend hätte
lesen sollen, anstatt auszugehen. Sarah nahm sich ein wenig von den Rühreiern,
obwohl sie eigentlich keinen Appetit darauf hatte, setzte sich hin und aß. Als
sie und Miss LaValliere fertig waren und die beiden fehlenden Pensionsgäste
immer noch nicht erschienen waren, trug Sarah das gebrauchte Geschirr in die
Küche, wo Mariposa bereits zu spülen angefangen hatte.
    »Vielleicht sollte ich Miss Hartler
eine Tasse Tee oder so etwas bringen?« bemerkte sie. »Sie hat gerade erst den
Flug aus Italien hinter sich und hat bestimmt Gott weiß wie lange nichts mehr
gegessen. Da fällt mir ein, in der Vorhalle steht eine Menge Gepäck von ihr
herum, wir müssen uns unbedingt darum kümmern.«
    »Wir brauchen es gar nicht erst
hereinzuholen«, sagte Mariposa, »bevor wir nicht wissen, wo sie überhaupt hin
will. Dann müßten wir es danach nämlich wieder alles heraustragen.«
    »Das stimmt, und es ist im Grunde auch
dort, wo es jetzt ist, ganz sicher, die Außentür ist ja verriegelt. Wenigstens
schleppt uns jetzt keiner mehr irgendwelche Kalakaua-Schätze durch den Flur.
Wie gemein von mir, so etwas zu sagen. Der arme alte Wumps! Was für ein
abscheulicher Tod!«
    »Oh, ich weiß nicht.« Mariposa
balancierte eine Seifenblase auf ihren hübschen Fingern und blies sie weg.
»Wahrscheinlich ist er wie sonst auch immer herumgetanzt, hat an diese
komischen Stühle gedacht, und dann womm! Kurz und schmerzlos. So was würde ich
mir für mich selbst auch wünschen. Glücklich und zufrieden bis 95 leben und
dann von ‘ner eifersüchtigen Ehefrau totgeschossen werden.«
    Sarah hätte nicht erwartet, an diesem
Morgen lachen zu können, aber jetzt lachte sie doch. Als sie schließlich das
Geschirr gespült hatten, fühlte sie sich wieder in der Lage, Miss Hartler
gegenüberzutreten. Sie ging zum Salon und klopfte leise an die Tür.
    »Miss Hartler, ich bin’s, Sarah. Darf
ich hereinkommen?«
    »Aber natürlich, liebes Kind.« Die
Stimme schien von weither zu kommen.
    »Ich wollte Sie fragen, ob ich Ihnen
vielleicht irgend etwas bringen kann? Tee und Toast vielleicht?«
    Miss Hartler versuchte mühsam, sich von
den Kissen zu erheben, in die sie bisher geweint hatte. Ihre Augen waren
gerötet, das Haar in Unordnung, ihre Kleidung in einem erbarmungswürdigen
Zustand. Sie wischte sich mit einem völlig durchnäßten Taschentuch über das
aufgeschwollene, schrecklich gealterte Gesicht.
    »Danke, Liebes. Vielleicht eine Tasse
ganz schwachen Tee? Normalerweise rühre ich keine Aufputschmittel an, aber
diese — diese ich wußte ja, daß ich ihn niemals hätte allein lassen sollen. Es
ist alles meine Schuld!«
    Ihre Schultern begannen wieder zu
zucken. Sarah sagte: »Ich hole den Tee« und floh.
    Als sie das Tablett vorbereitete, kam
Mr. Bittersohn aus dem Souterrain die Treppe herauf. »Was ist los?« begrüßte er
sie.
    »Die Schwester ist angekommen«,
berichtete Sarah. »Sie ist in seinem Zimmer und weint sich die Augen aus, die
Ärmste. Ich versuche gerade, sie dazu zu bringen, eine Tasse Tee zu trinken.
Würde es Ihnen sehr viel ausmachen, allein ins Eßzimmer zu gehen und sich zu
bedienen? Es ist noch

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