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Der Rauchsalon

Der Rauchsalon

Titel: Der Rauchsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Nachforschungen angestellt, warum dies nicht der Fall war. Mrs.
Sorpende mochte eine Lügnerin, ein Dummkopf oder einfach ein großer Pechvogel
sein, aber sie würde sicher sehr bald die Zielscheibe von diversen Klatsch- und
Tratschmäulern werden. Und diese Klatschmäuler konnten Sarah in den Ruin
treiben, wenn es ihr nicht gelang, sie möglichst schnell zum Schweigen zu
bringen.
    Auch wenn sie noch so erschöpft war,
erschien Sarah als erste am Frühstückstisch. Sie schenkte Kaffee ein, sie
stimmte Mr. Porter-Smiths Hypothese zu, daß das Hoch, das von den großen Seen
rasch ostwärts zog, auf das Tief treffen würde, das sich von Cape Hatteras
rasch nach Norden bewegte, und daß der zu erwartende Aufeinanderprall
höchstwahrscheinlich zu Regen, Schneeregen, Schnee oder zu einer Mischform von
allen drei Niederschlagsarten führen würde, wenn man die üblichen Witterungsverhältnisse
in Boston berücksichtigte.
    Sie hörte sich Miss LaVallieres Klagen
und Professor Ormsbys Knurren an. Sie dankte Mr. Bittersohn höflich, als er ihr
sagte, sie sehe schrecklich aus. Sie wartete, bis Mrs. Sorpende ihr wie üblich
spätes Frühstück, bei dem sie sich wie immer viel Zeit ließ, beendet hatte.
Dann zog sie sich einen Mantel über, den sie seit Jahren nicht mehr getragen
hatte, band sich einen Schal um den Kopf, zog ihn so tief wie möglich ins
Gesicht und legte sich auf die Lauer.
    Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis
Mrs. Sorpende in ihrem schwarzen Mantel aus dem Haus trat. Sie trug ihren
pflaumenfarbenen Turban mit dazu passendem Schal und jene große schwarze
Tasche, die aussah wie Leder, eine Annahme, die sich jedoch bei näherer Betrachtung
als falsch herausstellte. Sarah ließ sie ein gutes Stück vorgehen und folgte
ihr dann.
    Irgendwie hatte sie erwartet, daß Mrs.
Sorpende dieselbe Route durch die Grünanlage wie neulich einschlagen würde, und
genau das tat sie auch. Ihr Opfer ging wieder schnurstracks auf die öffentliche
Damentoilette zu.
    Und was jetzt? Würde sie wieder genauso
zum Narren gehalten werden wie beim letzten Mal? Nein, diesmal hatte sie mehr
Glück. Ganz in der Nähe erblickte sie eine vertraute Einkaufstasche und daneben
ein Kleiderbündel, das nur Miss Mary Smith sein konnte, die eifrig die
Abfallbehälter aus Zement durchforschte, die aussehen sollten wie Baumstümpfe.
    Sarah tat so, als wollte sie ihre
Handtasche in Ordnung bringen und schlenderte zum nächsten Zementstrunk. »Miss
Smith«, murmelte sie, »haben Sie zufällig gerade eine große Frau in einem
schwarzen Mantel in die Toilette gehen sehen?«
    Sie ließ ein sauberes
Papiertaschentuch, die Einkaufsliste der vergangenen Woche und eine Dollarnote,
deren Verlust sie sich eigentlich nicht leisten konnte, in den Baumstamm
fallen. Miss Smith rettete flugs den richtigen Abfall.
    »Ja, sie kommt jeden Tag her.«
    »Wo geht sie denn hin, wenn sie wieder
herauskommt?«
    »Die kommt nie wieder heraus.«
    »Was?« Sarah vergaß völlig ihre Rolle.
Glücklicherweise befand sich gerade niemand in Hörweite.
    »Sprechen Sie bitte nicht so laut«,
sagte Miss Smith umsichtig. »Passen Sie nur auf, in einer Minute oder so werden
Sie eine alte Lumpensammlerin wie ich es bin herauskommen sehen. Sie trägt rote
Turnschuhe und eine Einkaufstüte von Gilchrist. Sie wird die Straße überqueren
und in Richtung Temple Place gehen. Verstecken Sie sich in irgendeinem Eingang,
und warten Sie.«
    So war das also. Wieso hatte sie es
nicht beim ersten Mal schon gemerkt? Sie hatte oft genug gesehen, wie gut Mrs.
Sorpende ihr schwarzes Kleid verwandeln konnte. Mit all den eleganten, hübsch
abgestimmten Accessoires sah der Mantel alles andere als schäbig aus. Wenn man
jedoch den lila Turban abwickelte, den passenden Schal und die Handschuhe
abnahm, eine alte Einkaufstasche nahm und ein Paar Turnschuhe und einen
häßlichen alten Schal aus der Handtasche von der Größe eines übergroßen
Taschenbuches hervorzauberte, die hochhackigen Stiefel auszog und in gebeugter
Haltung herauskam, die einen kleiner erscheinen ließ, mit dem Schal das Gesicht
verdeckte und die Einkaufstüte in der Hand trug, mit ein paar Zeitungen
obenauf, um den eigentlichen Inhalt zu verdecken, konnte sich eine elegante
Dame sehr schnell in eine schlurfende Stadtstreicherin verwandeln. Die Frage
war bloß, warum?
    Sarah folgte dem Rat von Miss Smith und
machte sich über die Tremont Street davon, als die Ampel umsprang. Sie tat so,
als sei sie fasziniert von den ausgestellten

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