Der Rebell - Schattengrenzen #2
umrundete er seine Bücherberge. »Das macht Sinn.«
Er ließ sich neben Oliver in die Polster fallen.
»Schon richtig. Das hieße aber, dass Rudolph Markgraf immer noch mit seiner geschiedenen Frau unter einem Dach gelebt hat.«
Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ein Arrangement, damit Walter seinen alten Herrn sehen kann.«
Oliver wiegte nachdenklich den Kopf. »Das klingt nett, aber wenn ihr mich fragt, zu nett, um wahr zu sein.«
»Warum?« Matthias sah von seiner Arbeit auf.
»Nenn es Bauchgefühl.« Okay, das war keine kluge Antwort.
Matthias rollte mit den Augen.
»Fakten, Oliver. Die Aussage Bauchgefühl entbehrt jeder Logik.«
Er hatte recht. Trotzdem widersprach es dem eigenartigen Verhalten der Familie Markgraf. Oliver hob die Hände. »Lasst mich einfach mal zusammenspinnen, was mir dazu einfällt.«
Knapp nickte Matthias. George hingegen musterte ihn neugierig.
Daniel drückte den Laptop-Monitor weiter zurück.
Kommentarlos reichte Oliver den PC an ihn weiter.
»Danke dir.« Daniel scrollte über die Pfeiltasten an den Anfang.
Oliver erhob sich, um die Bilder zu holen, die ihm aufgefallen waren, die Nacktaufnahmen. Er kniff die Augen zusammen. Das Mädchen mit den scheuen Augen erinnerte ihn an die zurückhaltende, verhärmte Helene Hirsch. War das möglich? Hier wirkte sie voller, gesünder, obwohl sie schmal war. Die Jugend und das lange, lockige Haar täuschten sicher. Er legte seinen Finger auf Höhe ihrer Wangenknochen, wodurch die schwarze Flut wie ein Bob wirkte. Diese Augen, das war Helene.
Mein Gott, dann kannten sich die Frauen schon seit der Schule? Was änderte das in seiner Theorie an der These? Nachdenklich erhob er sich. Was, wenn die Freundschaft wirklich mehr bedeutete, sie sich deswegen nicht trennten?
Plötzlich zuckte er zusammen. Die Frauen teilten sich den Mann! Der Gedanke elektrisierte ihn. Er biss sich auf die Unterlippe. Das verlieh allem ein ganz neues Gesicht.
Gab es damals schon Zusammenhänge zu ihrem Beruf? Erna besaß alle Voraussetzungen zu einer talentierten Giftmischerin. Insbesondere nach Roberta Habichts Aussage, vergiftet worden zu sein. Walters Frauen starben alle, als Erna noch lebte.
So weit, so unschön.
Leider ließ sich die Theorie nicht festigen. Nur ein paar Bilder und eigene Querverbindungen stützten die Idee.
Frustriert seufzte er. Die Wahrheit zu finden, rückte in weite Ferne, im Gegensatz zu den Theorien, die noch mehr finstere Facetten gewannen.
»Oliver?«
Er fuhr hoch. »Ja?«
»Deine These, Inspektor Clouseau ?«, erinnerte Matthias zuckersüß.
Danke, du Zuckerschnecke …
Oliver straffte sich. »Das alles ist rein hypothetisch, ohne Fakten, nur an den Eckpunkten, die ich aus den Bildern und Notizen ziehen kann.«
Matthias wandte sich zu ihm um und reckte die Hände zur Zimmerdecke. »Also alles ohne Hand und Fuß.«
Er warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. »Wenn du es so willst, ja.« Er setzte sich wieder zu Daniel. »Meine Vermutung ist, dass Erna Markgraf Helene Hirsch bereits in ihrer Schulzeit kannte. Wahrscheinlich standen sich die zwei weitaus näher, als eine simple Freundschaft es zuließ. Trotzdem heiratete sie Rudolph Markgraf, lebte auch glücklich mit ihm, insbesondere weil ja auch Helene im Haus wohnte, zu der sie unter Garantie ihre Beziehung weiterhin aufrechterhielt.«
Matthias’ Lachanfall schüttelte ihn. Er brüllte fast vor Gelächter.
Elende Spottdrossel. Wut brodelte in Oliver. Glücklicherweise stiegen Daniel und George darauf nicht ein und blamierten ihn nicht vollkommen. Oliver krampfte die Hand um die Aufnahmen der nackten Mädchen.»Hast du’s bald, Matthias?«
Von einem Moment zum anderen wurde sein Cousin ernst. Er musterte Oliver herablassend. » Red doch keinen Blödsinn …«
»Lass mich bitte.« Die Worte klangen scharf. Oliver tat der Tonfall in keiner Weise leid.
Matthias hob die Hände. »Mach, Clouseau .«
»Danke.« Diese Überheblichkeit ging ihm gehörig auf den Zeiger. Konnte Matthias nicht wenigstens einmal die Klappe halten und nicht sticheln? Es kostete so schon einige Überwindung, sich mit der These zum Vollidioten zu machen. Aber vielleicht bot sich ja ein neuer Gedankenansatz. Zumindest war es mehr als das, was Matthias lieferte.
»Erna und Helene sind vermutlich zweigleisig gefahren. Das ging wohl auch so lang gut, bis Erna nach Walter noch einmal schwanger wurde, irgendwann im Winter 1926. Sie muss das Kind aber verloren haben. Leider lässt sich das
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