Der Rebell - Schattengrenzen #2
nicht wissen, wie es da oben aussieht. Die Körper sind zerrissen worden, zerplatzt – was weiß ich.« Matthias schüttelte sich. »Entsetzlich.«
Langsam trat Oliver zurück. Plötzlich fror er erbärmlich. Das große Tier in seinem Arm bebte. Vorsichtig drückte er den Hasen an sich. Der harte, pelzige Kopf drängte gegen seine Brust.
Was konnte all die Tiere töten?
Wächter? Die Szene in der Klinik hatte nichts von ihrer Grausamkeit verloren. Er sah die Kiefer des Wächters, wie sie die alte Frau zerrissen.
Nein. Was hätte ein Wächter davon, Tiere zu zerfetzen? Vielleicht hatte es etwas mit dieser Erscheinung zu tun? Hilfe suchend tastete er nach Daniel.
Mit beiden Händen fuhr sich dieser durchs Haar. »Die armen Tiere. Was war das, ein Raubtier?«
Matthias schüttelte den Kopf. »Ganz sicher nicht.«
»Vielleicht war es das Ding vorhin?«, platzte Oliver heraus.
Daniel zuckte zusammen und warf ihm einen entsetzten Blick zu.
»Was?« Matthias zog zweifelnd die Brauen zusammen. »Wovon redet ihr beide nun schon wieder?«
»Nichts.« Daniel reagierte so brüsk, dass Matthias irritiert die Brauen hob.
Was würde Matthias dazu einfallen? »Was, glaubst du, war das?«
Der Kommissar schüttelte den Kopf, wobei er die Lippen verzog. »Ich habe keine Ahnung – nichts Normales, kein Mensch, kein Tier.« Er sah sich nervös um. »Irgendetwas – was immer sich Walter hier ans Knie genagelt hat.«
Walter? Warum nannte Matthias ihn beim Vornamen? War er nicht eher der Typ Mensch, der gern mit Nachnamen um sich warf? Oliver musterte ihn nachdenklich.
Camilla hatte erwähnt, dass Matthias eine sehr kryptische Mail geschrieben habe. Was ging da vor sich?
Daniel schien es auch aufgefallen zu sein. Er drückte Olivers Schulter, wahrscheinlich um auf sich aufmerksam zu machen. Mit einem kurzen Blick bestätigte er, dass er ihn wahrgenommen hatte. Er nickte leicht, bevor er sich wieder Matthias zuwandte. »Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«
»Abhauen.«
Oliver knirschte mit den Zähnen. Einerseits wollte er aus diesem unheimlichen Haus fort, andererseits standen sie erst am Anfang ihrer Entdeckungen. Wo sonst – außer hier – lag die Wahrheit? Schließlich schien das Epizentrum aller Geschehnisse an diesem Ort zu liegen. Die Wächter, stoffliche Geister, reine Erscheinungen, Besessenheit, das Abschlachten der armen Tiere – nirgends sonst trafen so viele unheimliche Besonderheiten aufeinander. Der Hase zappelte leicht.
Oliver hielt das Tier weniger verkrampft und verschränkte seine Hände unter dem breiten Hinterteil. Die Vorderpfoten des Hasen schabten über seine Schulter, bis sie dicht nebeneinanderlagen. Der große keilförmige Kopf ruhte darauf. Das Tier entspannte sich.
»Er will bei dir bleiben.« Daniel strich behutsam die langen pelzigen Hasenohren über den ausladenden Rücken.
Aus schwarzen, wachsamen Augen beobachtete ihn das Tier.
Nach einer Weile senkte er die Lider. Daniels Gegenwart schien okay zu sein.
»Wir müssen verschwinden, Daniel. Hast du eine Ahnung, was passiert, wenn man dich und mich hier erwischt?«
Mattias’ Stimme klang drängend. Nervös sah er sich um.
»Unsere Kollegen haben sicher schon alles Interessante mitgenommen.«
Oliver wies mit dem Kopf zum Spiegel. »Ist das nicht interessant?«
Ohne hinzusehen, rollte Matthias mit den Augen. »Oliver, du mischst dich in Sachen ein, die dir ziemliche Probleme bereiten können.«
Der Unterton klang schrill.
Eines der Hasenohren zuckte leicht.
Oliver trat einen Schritt auf ihn zu.
»Camilla hatte mir von deiner Mail erzählt. Sie kam einen Tag vor der Mordnacht an. Was hatte dein Geschreibsel zu bedeuten?«
In Matthias’ Zügen arbeitete es. Eine Mischung aus Schrecken und Angst schlich sich in seine Augen. Er knirschte mit den Zähnen. Kalt erwischt.
Oliver verschränkte die Arme vor der Brust.
»Scheiße.« Matthias fuhr sich mit beiden Händen durch das Gesicht. »Warum hat sie dir davon erzählt?« Er war deutlich bleicher geworden.
»Muss ich dir erklären, wie Camilla tickt?« Oliver schüttelte den Kopf. »Ich denke, du kennst sie gut genug.«
»Geht es um diese Mail vom letzten Dezember?«
Matthias knurrte ärgerlich. »Daniel, halt dich da raus. Das geht dich dieses Mal wirklich nichts an.«
Unsanft grub Daniels Hand sich in Olivers Schulter, ausgerechnet in eine der Narben. Ein betäubendes Stechen zog über den Ellbogen bis in sein Handgelenk. Der Hase wurde ihm zu schwer. Mit dem
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