Der Rebell
freundlich.«
»Ich arbeitet hier, Missus.«
»Deshalb müssen Sie noch lange nicht freundlich sein.«
Als Alaina dann aus der Wanne stieg, holte Lilly ein großes Badetuch und wickelte sie darin ein. »Immerhin haben Sie diese böse Frau in die Schranken gewiesen.«
»Meinen Sie Lavinia?«
Lilly nickte ernsthaft.
Aber da war sich Alaina nicht so sicher. Vielleicht genoß Ian in diesem Augenblick die Gesellschaft der >bösen Frau<.
Lilly lächelte voller Genugtuung. »Inzwischen ist sie abgereist.«
»Nun, das freut mich.«
Lilly half Alaina in das Nachthemd aus bestickter Baumwolle. »Eigentlich müßte eine junge Ehefrau ein anderes Hemd tragen.«
»Für diese kühle Nacht ist es genau richtig.« Und für eine Ehefrau, die allein schläft... »Danke, Lilly, jetzt können Sie gehen.«
»Wenn Sie mich brauchen, rufen Sie mich, Missus. Jederzeit.« Gerührt erwiderte Alaina den Blick der Dienerin, der Mitgefühl und Verständnis verriet. Sie war froh, daß sie in diesem Haus eine Verbündete gefunden hatte.
»Ja, das werde ich tun.«
Nachdem Lilly das Zimmer verlassen hatte, setzte sich Alaina auf das Fußende des breiten Betts mit den Löwenfüßen und Greifvogelklauen. »Ian McKenzie, du bist ein Monstrum«, flüsterte sie. Plötzlich brach sie in Tränen aus. Welche Ehe würden sie führen? Erwartete Ian, daß sie in der Gesellschaft die Position seiner Gemahlin einnahm? Mußte sie ihren Vater allein lassen? Nein, das brachte sie nicht übers Herz. Irgendwie würde sie Ian klarmachen, daß sie mit ihrem Papa auf die Insel zurückkehren mußte — während ihr Ehemann seine eigenen Wege ging.
Rastlos stand sie auf. Wenn sie einen Schluck Brandy trank, würde sie vielleicht schneller einschlafen. Sie eilte zum Schreibtisch und öffnete mehrere Schubladen. In der untersten fand sie Brandy-, Whiskey- und Rumflaschen. Daneben standen einige Gläser.
Als es an der Tür klopfte, zuckte sie erschrocken zusammen. War Ian zurückgekommen?
Aber dann rief eine Frauenstimme: »Alaina?«
»Ja?«
Wie ein Wirbelwind stürmte Sydney McKenzie ins Zimmer und sank auf der anderen Seite des Schreibtisches in einen wuchtigen Sessel.
»Großer Gott, wie seltsam!« meinte sie belustigt. »Nun bist du erst seit einem Tag mit meinem Vetter verheiratet, und du mußt deinen Kummer schon im Alkohol ertränken? Schenk mir bitte auch was ein. Wie herrlich dekadent! Wenn sich die Gentlemen in ihren Bibliotheken versammeln, um Whiskey zu trinken — warum sollten wir Frauen uns dieses Vergnügen mißgönnen?«
»Also gut — Whiskey.« Alaina füllte zwei Gläser und nahm ihrer Freundin gegenüber Platz.
»Natürlich mußt du mir nicht die Wahrheit erzählen, Alaina ...«, begann Sydney zögernd. »Ich weiß, das kann keine romantische Geschichte sein. Daß Ian eine Zeitlang mit der schönen Mrs. Trehorn geschlafen hat, ist kein Geheimnis. Außerdem war er mit der Tochter eines Colonels so gut wie verlobt. Und ich habe gemerkt, daß du wahnsinnig verliebt warst — nicht in Ian, sondern ...« Abrupt verstummte Sydney, die niemals ein Blatt vor den Mund nahm. »Ian!«
Alaina sprang auf und drehte sich um. Tatsächlich — ihr Mann stand auf der Schwelle, in einem weißen Hemd, schwarzen Breeches und hohen Reitstiefeln.
»Ah, meine kleine Kusine — wie schön, dich wiederzusehen!« Lächelnd kam er ins Zimmer. »Und dich, liebste Alaina ... Störe ich? Oder darf ich ein Glas Whiskey mit euch trinken?« Ohne eine Antwort abzuwarten, zog er einen Sessel heran und ließ sich hineinfallen. »Setz dich, Liebling. Leistest du uns noch eine Weile Gesellschaft, Sydney?«
»Es ist schon spät, und ich wollte gerade gehen.«
»Bleib noch ein bißchen da und trink deinen Whiskey.«
Unbehaglich beobachtete Sydney, wie ihr Vetter nach der Flasche griff — offenbar nicht zum erstenmal an diesem Abend. Er betrachtete die braune Flüssigkeit in seinem Glas. Dann prostete er den beiden jungen Frauen zu. »Auf euer Wohl! Sprich doch bitte weiter, Sydney. Was wolltest du gerade sagen? In wen war Alaina verliebt?«
Sie starrte ihn unglücklich an und brachte kein Wort hervor.
»Also?«
»Hör auf, Ian!« fauchte Alaina. »Du hast kein Recht, deine Kusine so grausam zu behandeln.«
»Warum verteidigst du Sydney? Sie kann sehr gut für sich selber sorgen.«
»Wenn du's unbedingt wissen willst — ich war wahnsinnig in Peter O'Neill verliebt!« zischte Alaina. »Das wollte sie sagen.«
Erschrocken schnappte Sydney nach Luft. »Da du den
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