Der Rebell
ganzen Tag unterwegs warst, Ian, dachte ich, irgend jemand müßte deine Frau unterhalten ...«
»Herzlichen Dank. Aber jetzt bin ich da, und ich werde mein Bestes tun, um ihr die Langeweile zu vertreiben.«
Sydney sprang auf und lief zur Tür.
Aber Ian rief sie zurück. »Kleine Kusine?«
Widerstrebend hielt sie inne. Er folgte ihr und zog sie an seine Brust. Zunächst versteifte sie sich, dann erwiderte sie die Umarmung, und Alaina erkannte wieder einmal, wie eng alle McKenzies miteinander verbunden waren. Sie selbst würde stets eine Außenseiterin bleiben — sogar als Ians Ehefrau.
Hinter Ians Rücken lächelte ihr Sydney ermutigend zu. »Gute Nacht«, sagte sie leise und floh aus dem Zimmer.
Ian schloß die Tür und schob den Riegel vor. Die Arme vor der Brust verschränkt, wandte er sich zu Alaina, die immer noch hinter dem Schreibtisch stand.
Erbost erwiderte sie seinen Blick. »Nachdem du den ganzen Tag verschwunden warst, bist du nicht mehr willkommen.«
»Oh?«
»Gestern hast du deiner Ehre ein großes Opfer gebracht und mich geheiratet. Warum mußtest du mich heute vor deiner Familie und meinem Vater demütigen? Wenn du mir wenigstens ein paar Minuten von deiner kostbaren Zeit geschenkt hättest ...«
»Wurde ich vermißt?«
»Zweifellos hat Papa deine Abwesenheit bemerkt.«
»Und du? Bist du vor lauter Sehnsucht nach mir vergangen? Hätte ich das gewußt, wäre ich natürlich zu dir gekommen.«
»Vielleicht sollte ich dich daran erinnern, daß du die Ehe erzwungen hast, um den Schein zu wahren. Daran hättest du auch heute denken müssen.«
»Gestern wolltest du allein sein. Und nun bist du mir böse, weil ich deinen Wunsch erfüllt habe.«
»Verdammt, geh doch und schlaf im Heu!« Als er zum Schreibtisch schlenderte, hob sie entschlossen das Kinn. »Bald wirst du wieder deinen Dienst beim Militär antreten, Ian. Wir müssen diese Farce nicht mehr allzulange spielen. Dann kann ich nach Hause zurückkehren ...«
»Du bist zu Hause.«
Aber sie beachtete seinen Einwand nicht. »Und du wirst so weiterleben wie bisher. Verkriech dich im Heu, fahr zur Hölle — das ist mir egal, solange du mich in Ruhe läßt ...«
»Würdest du bitte aufhören, mir Vorschriften zu machen?« Plötzlich kam er um den Schreibtisch herum, nahm Alaina trotz ihres heftigen Widerstands auf die Arme und trug sie zum Bett. Unsanft ließ er sie auf die Daunendecke fallen. »Verdammt will ich sein, wenn ich wieder im Heu schlafe! Diese Nacht werde ich in meinem Zimmer verbringen, in meinem Bett, mit meiner Frau.
Wie du darüber denkst, interessiert mich nicht. Du kannst die Situation akzeptieren oder dagegen kämpfen. Für mich macht das keinen Unterschied. Was ich will und was mir zusteht, werde ich mir nehmen.«
9
In seinem ganzen Leben war er keiner einzigen Frau begegnet, die so beharrlich an seinen Nerven gezerrt hätte wie Alaina. Niemals bereit, klein beizugeben, obwohl sie auf verlorenem Posten kämpfte — niemals bereit, eine Niederlage hinzunehmen .. .
Und doch — hätte er Risa gegenüber keine Schuldgefühle, wäre er nicht so wütend auf Alaina wegen ihrer Beziehung zu Peter O'Neill ... Was dann?
Sie war wunderschön mit ihren Katzenaugen und dem goldblonden Haar. Momentan sah sie besonders zauberhaft aus, wie sie so vor ihm lag, auf einen Ellbogen gestützt, und ihn unsicher beobachtete. Unter dem Nachthemd zeichnete sich ihr wohlgeformter Körper ab, gertenschlank und zugleich verführerisch gerundet. Er hatte sie in der Hoffnung geheiratet, sie würde kein Kind von Peter erwarten, und angesichts ihrer unberührten Unschuld eine geradezu lächerliche Genugtuung empfunden.
Aber sie war daran gewöhnt, immer das zu tun, was ihr beliebte — mochte es auch noch so gefährlich sein. Davon mußte er sie abbringen. Außerdem wollte er nicht mehr hören, sie sei in diesen idiotischen Angeber O'Neill verliebt gewesen. Wie gern würde er den Kerl in Stücke reißen!
Vielleicht war es unhöflich gewesen, Alaina den ganzen Tag allein zu lassen. Von einer schmerzlichen Nostalgie erfaßt, hatte er die Gesellschaft seiner Verwandten ge-sucht. Er hatte Abstand gewinnen wollen von seiner Frau, die sein Temperament und seine Leidenschaft so maßlos aufwühlte.
Wie sollte er seine Abwesenheit erklären? Sie hatten den Tag in einer alten Indianerhütte bei Cimarron verbracht — Ian, James, Julian, Jerome und Brent. Später war Jarrett hinzugekommen. Sie hatten Whiskey getrunken, gelacht und über alte Zeiten
Weitere Kostenlose Bücher