Der Rebell
mit dem Federhut. Bedrückt und nachdenklich starrte er ins Kaminfeuer.
Wie Risa sich entsann, hatte er mit Lincolns Wahl ge- rechnet, während die meisten Leute überzeugt gewesen waren, der hinterwäldlerische Anwalt würde niemals an die Macht kommen. Ian hatte ihr erklärt, South Carolina würde sich bald von der Union trennen und den anderen Baumwollstaaten ein Beispiel geben. Er sagte auch den Krieg voraus.
Aber an diesem Abend unterhielten sich die Kongreßabgeordneten, die ansonsten heftig stritten, freundschaftlich und beglückwünschten einander zu Hochzeiten, Geburten ersehnter Erben oder Beförderungen. Soldaten aus allen Regionen des Landes prosteten sich zu.
Zweifellos wußte Mrs. Greenhow, eine geniale Gastgeberin, die unterschiedlichsten Elemente unter ihrem Dach zu vereinen. Auch Präsident Buchanan war für eine Viertelstunde erschienen, um für eine friedliche Lösung des Konflikts zu plädieren und zu versichern, auf beiden Seiten würden die Wunden bald heilen. Risa hatte gehört, viele Leute würden ihm mangelnde Initiative vorwerfen. Aber was sollte er tun? In einigen Wochen würde Lincoln die Präsidentschaft übernehmen und die Welt verändern. Jetzt versuchte Buchanan nur noch, die Hitzköpfe im Zaum zu halten und zu verhindern, daß sie aufeinander feuerten.
Zu ihrer Linken stand Ian, nur wenige Schritte entfernt, an der Seite ihres Vaters. Sein Anblick krampfte wieder einmal ihr Herz zusammen.
Plötzlich sah sie einen jungen Mann mit zerzaustem braunem Haar und glühenden Augen auf ihn zugehen. Um das Gespräch zu belauschen, trat sie etwas näher heran.
Offenbar stammte der Mann aus Alabama und hatte soeben den Dienst bei der US-Army quittiert. Er wollte in seine Heimat zurückkehren, die sich zweifellos bald von der Union lossagen würde. Wütend betonte er, Major McKenzie müsse genauso handeln.
Ian entgegnete mit ruhiger Stimme, dies sei seine Sache, und Risa beschloß, ihn zu unterstützen.
»Entschuldigen Sie mich, Colonel«, bat sie den Freund ihres Vaters, »ich fürchte, der Major ist in Schwierigkeiten.«
»Natürlich, meine Liebe.«
Sie drückte ihm ihr Punschglas in die Hand. Soeben hatte das Orchester einen Walzer intoniert, was ihr sehr gelegen kam. Lächelnd ging sie zu Ian. »Würdest du mit mir tanzen, obwohl ich nur ein armseliger Ersatz für deine Frau bin?«
Erleichtert und belustigt erwiderte er: »Du bist niemals ein >Ersatz<. Und du wirst mit jedem Tag schöner.«
»Also wirklich, Papa, du hast deine Offiziere zu schamlosen Schmeichlern erzogen«, scherzte sie, und die Gentlemen lachten.
Ian nahm ihren Arm, führte sie auf die Tanzfläche, und sie begannen sich im Walzertakt zu drehen. »Danke für die Rettung.«
»Gern geschehen.«
»Wer weiß, wie lange du mir noch beistehen kannst ...«
»Warum sagst du das?«
»Bald wird sich auch Florida von der Union trennen.«
»Was willst du tun?«
»Ich habe nicht vor, die US-Army zu verlassen. Nach meiner Ansicht ist die Sezession verrückt und die Sklaverei ein himmelschreiendes Unrecht. Wenn sich die Nord-und die Südstaaten in friedlichem Einvernehmen trennen, kehre ich vielleicht eines Tages nach Hause zurück und übernehme die Plantage meines Vaters. Aber falls ein Krieg ausbricht, wäre ich in Florida ein geächteter Außenseiter.«
»Hier nicht, Ian.«
»Nein.« Er lächelte wehmütig. »Aber ich liebe meine Heimat leidenschaftlich. Dort wäre ich allerdings unwillkommen. Ganz zu schweigen von ...« Abrupt verstummte er.
»Von deinem Ehebett?«
Er umfaßte ihre Taille noch fester, und sie wußte nicht, ob sein harter, kalter Blick ihr galt — oder seiner abwesenden Frau. »Alaina muß meine Entscheidung akzeptieren, und mein Entschluß steht fest.«
Bei der nächsten Drehung sah sie, wie die Tür aufschwang, und Rose Greenhow begrüßte eine exquisite blonde Schönheit im weiten schwarzen Cape.
Risa hatte keine Ahnung, wieso sie es wußte. Aber sie wußte es. Die Südstaatlerin, die Ian geheiratet hatte, war auf der Party erschienen, um die Gesellschaft der Nordstaaten kennenzulernen.
Eine hochgewachsene dunkelhaarige Frau in raschelndem Taft eilte Alaina entgegen. »Guten Abend!« rief sie freundlich. »Mit wem habe ich die Ehre?«
»Alaina McKenzie. Mrs. — Greenhow?«
»O ja, ich bin Rose Greenhow. Und Sie sind Ians Frau.« Die attraktive Gastgeberin lächelte entzückt. »Natürlich, das hätte ich wissen müssen. Aber dieser elegante Umhang verbirgt Ihren Zustand. Wann erwarten Sie
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